10.10.2014

Wegsehen hilft nicht: Sharehoster haftet schon ab Zugang eines Hinweises auf Rechtsverletzung

Wird der Betreiber eines Sharehosters mit einer E-Mail auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen, ist er für das Andauern dieser Rechtsverletzungen auch dann verantwortlich, wenn er den Hinweis tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen hat. Dies hat das Landgericht (LG) Hamburg mit Urteil vom 02.10.2014 in einem von Rasch Rechtsanwälte geführten Verfahren entschieden (Az. 310 O 464/13).

In einem aktuellen Urteil hat das LG Hamburg einen bekannten Sharehoster zur Unterlassung verpflichtet. Gegenstand des Verfahrens war ein Musikalbum, das in Dateiform auf dem Sharehoster gespeichert und ohne Zustimmung des Musiklabels öffentlich zugänglich gemacht worden war. Wie in derartigen Fällen üblich, forderte das betroffene Label den Sharehoster unter Einschaltung der proMedia GmbH auf, die rechtsverletzenden Dateien unverzüglich zu löschen. Hierzu wurde eine E-Mail mit den rechtsverletzenden URLs an den sogenannten „Abuse-Kontakt“ des Sharehosters gesandt, ein eigens für die Entgegennahme von Lösch-Meldungen eingerichtetes E-Mail-Postfach.

Abmahnung und einstweilige Verfügung


Weil die Dateien noch drei Tage nach diesem Hinweis unverändert abrufbar waren, ließ das Musiklabel den Sharehoster durch Rasch Rechtsanwälte abmahnen. Eine Unterlassungserklärung ging innerhalb der gesetzten Frist nicht ein, so dass eine einstweilige Verfügung beantragt wurde, die das LG Hamburg am 18.12.2013 erließ (Az. 310 O 464/13). Gegen diesen Beschluss legte der Sharehoster Widerspruch ein.

Angeblich keine Kenntnis von den Rechtsverletzungen


Mit dem Widerspruch machte der Sharehoster geltend, den Hinweis der proMedia GmbH nie erhalten zu haben. Ihm sei nur eine leere Liste übermittelt worden. Mangels Kenntnis von den Rechtsverletzungen sei er nicht zur Löschung verpflichtet gewesen, die Dateien seien nach Erhalt der Abmahnung „unverzüglich“ im Sinne des § 10 TMG gelöscht worden, weswegen eine Haftung ausscheide. Im Rahmen des Widerspruchsverfahren behauptete der Sharehoster später, die Meldung mit den beanstandeten URLs doch erhalten zu haben, diese sei jedoch durch eine Schutzvorkehrung des Mail-Servers nie in den E-Mail-Client geladen worden und hätte somit auch nicht zur Kenntnis genommen werden können.

Prüfpflichten entstehen auch ohne Kenntnis

Das Landgericht stellt in seinem Urteil zunächst fest, dass Anbieter von Hosting-Diensten keine Überwachungspflichten allgemeiner Art obliegen, was sich aus § 10 TMG und Art. 15 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (2000/31/EG) ergibt. Nicht ausgeschlossen sind hingegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen, also dann, wenn der Sharehoster auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist (vgl. BGH „Filehosting-Dienst“ (I ZR 85/12), BGH „Prüfpflichten“, (I ZR 79/12)).

Im konkreten Fall stellte sich nun die Frage, ob solche Überwachungspflichten auch dann einsetzen, wenn der Sharehoster einen derartigen Hinweis zwar erhält, ihn aber nicht zur Kenntnis nimmt. Der Betreiber des Sharehosters versuchte streng mit dem Wortlaut des § 10 Nr. 1 TMG zu argumentieren, der positive Kenntnis von der Rechtsverletzung voraussetzt. Das LG folgte jedoch der von Rasch Rechtsanwälte vertretenen Auffassung, dass der Zugang des Hinweises ausreicht, um spezifische Überwachungspflichten auszulösen.

Das LG führt in diesem Zusammenhang aus:

„Für die Auslösung der Handlungspflichten des Betreibers eines Filehosting-Dienstes kommt es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht darauf an, wann sie den Hinweis auf die Rechtsverletzungen tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Eine solche Kenntnis des Betreibers eines Filehosting-Dienstes hielt auch der BGH in der diesbezüglich oben bereits zitierten Entscheidung (BGH, Urteil vom 15.08.2013, I ZR 79/12 „Prüfpflichten“) für nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, dass der Antragsgegnerin der Hinweis im Sinne des § 130 BGB zugegangen ist.“

Auswirkungen für die Praxis


Die Auffassung des LG überzeugt sowohl dogmatisch als auch im Ergebnis. Ob und wann Prüfpflichten bei einem Sharehoster entstehen, ist eine Frage der Störerhaftung. Die Privilegierung des § 10 TMG findet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Anwendung auf Unterlassungsansprüche (BGH I ZR 166/07 m.w.N.). Im Rahmen der Störerhaftung werden Prüf- und Handlungspflichten durch einen Hinweis auf eine konkrete Rechtsverletzung ausgelöst. Ein solcher Hinweis wird als geschäftsähnliche Handlung wirksam, wenn er dem Empfänger zugeht. Das war im vorliegend zum Zeitpunkt des Eintreffens der E-Mail im System des Sharehosters der Fall.

Würde man hingegen das Entstehen der Pflichten an die tatsächliche Kenntnisnahme anknüpfen, könnte der Anbieter eines Sharehosters jegliche Kontroll- und Handlungspflichten vermeiden, indem er die bei ihm eingehenden Hinweise ignoriert.

Das LG hat mit seinem Urteil weitere Rechtssicherheit für Rechteinhaber geschaffen, denn es ist in der Praxis durchaus möglich, den Zugang eines Hinweises zu beweisen, was für die tatsächliche Kenntnis des Sharehoster-Betreibers vom Inhalt eines Hinweises nicht gilt.  Mit Blick auf die vorliegende Entscheidung ist es Rechteinhabern möglich, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sobald ein Sharehoster nicht unverzüglich auf einen Hinweis reagiert. Diesem ist es anschließend verwehrt, sich auf die fehlende Kenntnis vom Inhalt des Hinweises zu berufen.

Von: Rechtsanwalt Mirko Brüß

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