15.05.2013

OLG Hamm: Irreführende Werbung einer sog. Postenbörse durch Angabe von „Statt“-Preisen

Wirbt eine sog. Postenbörse mit durchgestrichenen „Statt“-Preisen, ohne klarzustellen, worauf sich der gestrichene Vergleichspreis bezieht, ist diese Werbung irreführend, wenn nicht alle in Frage kommenden Deutungen der Werbeaussage zutreffend sind und rechtfertigt einen Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers (Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 24.01.2013, Az.: 4 U 186/12).

Das OLG Hamm (Az.: 4 U 186/12) hat kürzlich einen Restpostenhändler zur Unterlassung nach §§ 8 Abs. 1, 5 Abs. 1 S.2 Nr. 2 UWG verurteilt, weil die von ihm getätigten Werbeaussagen irreführend waren und damit die zunächst im Verfahren der einstweiligen Verfügung getroffene Regelung des Landgerichts (LG) Münster bestätigt.

LG Münster hebt einstweilige Verfügung im
Widerspruchsverfahren auf

Antragstellerin des Verfügungsverfahrens war eine Warenhandelsgesellschaft, die Haushaltswaren und Konsumartikel unterschiedlicher Art im Internet vertreibt. Die Antragstellerin hatte im Juli 2012 die F GmbH, einen überregionalen Restpostenhändler, auf Unterlassung einer Werbeaussage in Anspruch genommen. Die F GmbH hatte sich daraufhin verpflichtet, „es zu unterlassen, mit durchgestrichenen Preisen zu werben, ohne dabei klarzustellen, um was für einen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt (…)“.

Im August 2012 warb die F GmbH in einem Prospekt und im Internet erneut mit durchgestrichenen „Statt“-Preisen, ohne diese Preise zu erläutern. Dieses Prospekt lag auch im Ladengeschäft des Antragsgegners, einem Lizenznehmer der F GmbH, aus. Auf die gegen diese erneute Werbeaussage gerichtete Abmahnung und Aufforderung zur Unterwerfung des Antragstellers reagierte der Antragsgegner nicht. Die Antragstellerin hat ihren Unterlassungsanspruch im vorgenannten Verfügungsverfahren vor dem LG Münster geltend gemacht und die begehrte Verbotsverfügung erhalten. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Antragsgegners war jedoch erfolgreich, das Gericht hob die einstweilige Verfügung auf. Es läge insbesondere keine Irreführung nach § 5 Abs. 1 S.2 Nr. 2 UWG vor, da keine Markenware beworben würde (vgl. hierzu BGH I ZR 10/78 – Preisgegenüberstellung III) und insofern für den durchschnittlichen Verbraucher keine Anhaltspunkte für den Fehlschluss vorlägen, die durchgestrichenen Preise wären unverbindliche Herstellerpreise oder allgemein übliche der Konkurrenz.

Soweit der Antragsteller im Widerspruchsverfahren zusätzlich Unterlassung nunmehr auch deswegen begehrte, weil eine Irreführung dadurch eintrete, dass die gestrichenen Preise zuvor weder vom Antragsgegner noch überhaupt jemandem verlangt worden waren – also sog. Mondpreise seien – lehnte das Gericht ebenfalls eine Verurteilung ab, weil dieser Umstand einen anderen Streitgegenstand beträfe. Streitgegenständlich sei – aufgrund der Formulierung des Antrags – nur die mangelnde Klarstellung hinsichtlich der Herkunft der gestrichenen Preise, nicht jedoch das Verbot der Werbung mit durchgestrichenen Preisen schlechthin.

OLG Hamm bestätigt Irreführung auch bei Nicht-Markenartikeln

Mit der Berufung gegen diese Entscheidung verfolgt die Antragstellerin und nunmehr Berufungsklägerin ihr Unterlassungsbegehren weiter.

Hinsichtlich des Streitgegenstands folgt das OLG Hamm den Ausführungen der Vorinstanz und dabei den Vorgaben des BGH zum Streitgegenstand (vgl. u.a. BGH I ZR 108/09 – TÜV II).  Es bleibe dabei, dass von der Berufungsklägerin kein Verbot der beanstandeten Werbung als Ganzes, sondern lediglich ein Verbot der Werbung ohne klarstellende Äußerung dazu, woher die gestrichenen Preise kämen, verlangt worden war. Gleichwohl stellt das Gericht klar, dass ein solcher uneingeschränkt formulierter Antrag ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Hinsichtlich der Irreführung aufgrund der unterbliebenen Aufklärung über die Herkunft der gestrichenen Preise wurde die Vorinstanz jedoch aufgehoben. Zunächst hat das Gericht ein – vom Antragsgegner und Berufungsbeklagten verneintes – Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien unproblematisch bejaht, auch wenn eine Partei ihre Waren ausschließlich im Internet anböte. Jedenfalls an dem Ort, wo der Berufungsbeklagte sein Ladengeschäft betreibe, gebe es eine räumliche Überschneidung und damit ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.

Mehrdeutigkeit der Werbeaussage ist entscheidend

Auch eine die Berufungsklägerin beeinträchtigende Irreführung hat das Gericht angenommen. Die Werbung richte sich an die potentiellen Kunden einer Postenbörse und damit im Prinzip an jedermann. Zum Verständnis der Werbung sei daher die Verkehrsauffassung eines durchschnittlich verständigen und informierten Verbrauchers zu Grunde zu legen. Dieser Durchschnittskunde könnte die Werbung aber in zweierlei Form verstehen – und dies unabhängig von der Frage, ob Markenware Gegenstand der Werbung sei oder nicht. Zum Einen könnte er nämlich annehmen, es handele sich um frühere Preise des Werbenden selbst, die nunmehr gegenstandslos sind. Zum Anderen könne die Werbung aber auch so verstanden werden, dass es sich bei den gestrichenen Preisen um solche des regulären Einzelhandels handelt, was bei den ausgewiesenen Reduzierungen von mindestens 35% bis hin zu 93% einen enormen Preisvorteil hätte.

Im Falle einer solchen Mehrdeutigkeit müsse der Werbende jedoch alle Interpretationsmöglichkeiten gegen sich gelten lassen, d.h. jede einzelne mögliche Deutung der Werbeaussage muss zutreffend sein. Da sich aber die beiden hier möglichen Bedeutungen ohne Klarstellung gegenseitig ausschlössen, sei eine Irreführung anzunehmen, die den Mitbewerber beeinträchtigt. Diese Irreführung sei auch hinreichend relevant, da die Preiswürdigkeit eines Angebots – also hier das Verhältnis zum Ausgangspreis – einen zentralen Aspekt für die Kaufentscheidung darstelle.

Von: Alexander Kunath

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