26.06.2015

Ist die Panoramafreiheit tatsächlich bedroht?

Muss künftig jedes private Foto mit einem Bauwerk im Hintergrund auf eine Rechtsverletzung hin überprüft werden, bevor man es bei Facebook oder Instagram posten kann? Dies wird derzeit in der Medienlandschaft lebhaft diskutiert.

Was bedeutet Panoramafreiheit?

In zahlreichen Meldungen im Internet wird aktuell und europaweit die Frage diskutiert, ob die sogenannte „Panoramafreiheit“ in Gefahr ist. Aber was ist überhaupt die „Panoramafreiheit“? Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Einschränkung des Urheberrechts. Grundsätzlich steht jedem Urheber das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe seines Werkes zu. Dies gilt selbstverständlich auch für urheberrechtliche geschützte Bauwerke, die diesen Schutz aufgrund ihrer besonderen Architektur genießen, sowie für Kunstobjekte die öffentlich einsehbar sind. Natürlich gilt dieses Recht nur innerhalb der gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren bis nach dem Tod des Urhebers und ist für zahlreiche alte Gebäude und Kunstwerke ohnehin nicht mehr von Bedeutung. Bei neueren, noch geschützten Werken wird dieses Recht durch die sogenannte Panoramafreiheit eingeschränkt. In Deutschland ist diese Ausnahme in § 59 UrhG geregelt. Demnach ist es erlaubt geschützte Werke im öffentlichen Raum zu fotografieren und zu filmen und die erstellten Aufnahmen frei zu verwenden. Bei Bauwerken erstreckt sich diese Befugnis dabei nur auf die äußere Ansicht des Gebäudes. Praktisch gesehen ist es ist also erlaubt ein Foto von sich vor dem Panorama der Elbphilharmonie zu erstellen und dieses Foto anschließend auf Facebook zu posten und damit öffentlich wiederzugeben. Ob dies jedoch in Zukunft noch möglich und legal sein wird, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion.

Report zur Urheberrechtsreform

Ausgelöst wurde diese Diskussion durch eine Initiative im Europarlament.
Wie bekannt, möchte die Europäische Union das Urheberrecht in Europa reformieren, um es den Anforderungen an eine digitalisierte Gesellschaft anzupassen. Vor diesem Hintergrund hat der Rechtsausschuss des Europaparlaments kürzlich einen Report erstellt, der Anfang Juli vom Europaparlament abgesegnet werden soll. In diesem Report finden sich Vorschläge, in welcher Form das Urheberrecht in Europa angepasst und harmonisiert werden könnte. Wohlgemerkt, dieser Report beinhaltet Vorschläge und keinen Gesetzesentwurf. Auch die Abstimmung des EU-Parlaments über diese Vorschläge führt nicht zu einer gesetzlichen Regelung, sondern allenfalls zu einer Empfehlung an die EU-Kommission, die dann in naher Zukunft einen Richtlinienentwurf zu der geplanten Urheberrechtsreform vorstellen wird. Trotzdem sorgt ein Vorschlag in diesem Report für große Empörung, weil darin ein Satz enthalten ist, der von einigen, als Ende der Panoramafreiheit gedeutet wird. Stein des Anstoßes ist der Satz:

„Das Europaparlament vertritt die Auffassung, dass die gewerbliche Nutzung von Fotografien, Videomaterial oder anderen Abbildungen von Werken, die dauerhaft an physischen öffentlichen Orten platziert sind, immer die vorherige Einwilligung der Urheber oder sonstigen Bevollmächtigten geknüpft sein sollte.“

Demnach müsste sich künftig jeder, der ein Foto im öffentlichen Raum erstellt und dieses „gewerblich“ nutzen will, darüber informieren, ob auf diesem Foto geschützte Werke, wie z.B. Skulpturen oder Häuserfassaden enthalten sind, um sich gegebenenfalls die Genehmigung vom Rechteinhaber einzuholen. Daran ist zunächst einmal nichts auszusetzen, da nicht einzusehen ist, warum ein Rechteinhaber es per se erdulden muss, wenn sein Werk beispielsweise in einem Werbespot kommerziell für das Produkt eines anderen ausgenutzt werden soll. Zugegebenermaßen wäre eine solche Regelung in manchen europäischen Ländern, wie beispielsweise Deutschland oder Großbritannien etwas strenger, als das bislang geltende Recht. Insofern könnten sich Berufsfotografen oder Filmemacher zu Recht fragen, ob ihre Berufsausübung hierdurch unnötig erschwert wird. Ob es zu einer solchen Anpassung des Urheberrechts überhaupt kommen wird, steht allerding bislang überhaupt nicht fest und ist auch ausgesprochen fraglich.

Sind Facebook Nutzer betroffen?

Für die aktuelle Aufregung sorgt insbesondere eine Interpretation dieses Vorschlages durch Julia Reda, die als Abgeordnete der Piratenpartei im Europaparlament sitzt. Frau Reda befürchtet durch eine Einschränkung der Panoramafreiheit für kommerzielle Nutzungen massive Auswirkungen auf Millionen von europäischen Internetnutzern. Nach ihrer Ansicht wäre auch der Nutzer von Facebook oder Instagram von einer solchen Neuregelung betroffen,  wenn er dort seine Urlaubsfotos hoch lade. Sie begründet diese Annahme mit den Nutzungsbedingungen von Facebook und anderen kommerziellen Fotoplattformen, über die üblicherweise Rechte zur kommerziellen Nutzung der hochgeladenen Fotos eingeräumt werden sollen. Dadurch könne auch das Hochladen des Urlaubsfotos als gewerbliche Nutzung angesehen werden. Ein Facebook Nutzer dürfte nach dieser These also künftig nie mehr reinen Gewissens seine Fotos posten ohne diese einer umfangreichen rechtlichen Prüfung unterziehen zu müssen. Anderenfalls drohe ihm eine Abmahnung durch einen Urheber.

Diese Interpretation dürfte rechtlich nicht zutreffend sein. Unabhängig davon, ob die Nutzungsbedingungen bei Facebook und Co. tatsächlich eine solche Rechtsübertragung zur kommerziellen Nutzung der Fotos vorsehen und ob eine solche Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt zulässig und wirksam wäre, handelt es sich bei dem Hochladen von privaten Urlaubsfotos- und Videos auch auf Facebook sicherlich nicht um eine gewerbliche Nutzung des privaten Facebook-Users, auch wenn die Plattform auf der dies geschieht, kommerzielle Interessen verfolgt. Allenfalls der Betreiber der Plattform, der sich später eines solchen Fotos zu gewerblichen Zwecken bedient, wäre von einer solchen Einschränkung der Panoramafreiheit betroffen.

In jedem Fall ist entgegen der Annahme von Frau Reda nicht mit einem massenhaften Vorgehen gegen Facebook User zu rechnen, wenn diese ihre Urlaubsfotos mit dem „London-Eye“ im Hintergrund posten. In Frankreich und Italien gibt es schon jetzt keine gesetzlich geregelte Panoramafreiheit und trotzdem hört man von dort keine Nachrichten von massenhaftem Vorgehen gegen Nutzer von sozialen Netzwerken, die ihre Urlaubsfotos posten, obwohl anzunehmen ist, dass auch Franzosen und Italiener nicht anders als Deutsche ihre Urlaubserinnerungen im Internet mit Freunden teilen. Dies zeigt einmal mehr, dass die aktuelle Diskussion um die angebliche Abschaffung der Panoramafreiheit in Europa zum Nachteil vieler Millionen Bürger nichts mehr als Panikmache ist, um die Interessen von Urhebern bei der anstehenden Anpassung des europäischen Urheberrechts zu schwächen.

Von: Rechtsanwalt Kay Spreckelsen

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