05.11.2015

Freie Fahrt für Rabattaktion bei „MyTaxi“?

Darf „MyTaxi“ mit seiner Smartphone-App Taxikunden anlocken, indem es ihnen den halben Fahrpreis zurückerstattet? Dazu liegen aus Hamburg und Stuttgart unterschiedliche Entscheidungen vor. Auch in Frankfurt wird bald verhandelt.

Der Streit

Mit der Software „MyTaxi“ kann man sich per Smartphone ein Taxi rufen. Die Software ermittelt per GPS den Standort des Kunden, leitet ihn an eine Zentrale weiter und vermittelt den Auftrag an einen von mehreren angeschlossenen Taxifahrern. Die Fahrer können in ihrer Fahrer-App einstellen, wie hoch die Provision sein soll, die der App-Betreiber erhält (zwischen 3 und 15 Prozent, Stand: 26.06.2015). Den Zuschlag erhält der Fahrer, der vorher die höchste Provision versprochen hat. Der Kunde steigt ein und bezahlt am Ende der Fahrt per App.

Eine pikante Konstruktion: Rabatt nur nach „außen“


Dabei verrechnet der App-Betreiber einen Rabatt von 50 Prozent mit dem Fahrpreis, so dass der Kunde nur den halben Preis zahlt - intern erhält der Fahrer aber den vollen, vom Taxameter angezeigten Betrag, abzüglich der Provision. Der App-Betreiber lässt sich im Voraus die Fahrpreisforderungen abtreten und trägt das Ausfallrisiko. Die „MyTaxi“ angeschlossenen Fahrer dürfen auch für andere Vermittlungszentralen fahren.

Gegen die wiederholten Rabattaktionen gingen jetzt konkurrierende Taxenzentralen gerichtlich vor – mit unterschiedlichem Erfolg.

Die Entscheidungen


Mit eV-Urteil 44 O 23/15 KfH vom 26.06.2015 hat das Landgericht Stuttgart den Betreiber der „MyTaxi“-App zur Unterlassung der Rabattaktion im Pflichtfahrgebiet der Stadt Stuttgart verurteilt.  Antragsteller war eine Stuttgarter Taxi-Zentrale. Dort ist noch das Berufungsverfahren anhängig.

Entgegengesetzt hat nun das Landgericht Hamburg mit Urteil 312 O 225/15 vom 15.09.2015 – ebenfalls im Eilverfahren - entschieden und einen Antrag des Deutschen Taxen- und Mietwagenverbandes für das ganze Bundesgebiet  mit Ausnahme Stuttgarts zurückgewiesen.

Die Gründe aus Stuttgart


Kernfrage der Urteile ist, ob der App-Betreiber selbst Personenbeförderungsleistungen anbietet und auf ihn als „Unternehmer“ (§ 3 Personenbeförderungsgesetz, PBefG) das PBefG anwendbar ist. Die Stuttgarter Richter bejahten diese Frage im Ergebnis. Zwar sei „MyTaxi“ nicht Unternehmer, müsse sich aber wie ein solcher behandeln lassen. Denn „MyTaxi“ trage einen Teil des unternehmerischen Risikos, indem es sich die Fahrpreisforderungen abtreten lasse und für deren Ausfall hafte, zudem regele es die Zahlungsmodalitäten für den Rabatt. Durch diese Umstände und die Vermittlung der Fahrten rücke „MyTaxi“ so sehr in die Nähe eines Unternehmers, dass es sich dessen Pflichten nach dem PBefG nicht entziehen könne. Würde man die Geschäftsmaßnahmen von „MyTaxi“ dagegen aufspalten und einzeln betrachten, würde man dem Beitrag dieses Unternehmens nicht gerecht – geboten sei daher eine Gesamtbetrachtung. Da derjenige Fahrer den Zuschlag erhalte, der es „am nötigsten habe“, greife das Unternehmen in die geschäftliche Tätigkeit ein und könne sich der Preisbindung nicht entziehen.

und aus Hamburg


Eine Einzelbetrachtung nimmt dagegen das Landgericht Hamburg vor. Unternehmer sei nur derjenige, der den Verkehr im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung betreibt. Maßgeblich für die Frage, ob jemand Unternehmer ist, sei nur das „Außenverhältnis“ – also das Auftreten gegenüber Fahrgästen. Das „Innenverhältnis“ des App-Betreibers zu den Fahrern sei demgegenüber unmaßgeblich. Dabei gelange man zu dem Ergebnis, dass „MyTaxi“ nur Fahrten fremder Unternehmer vermittele, die zudem nicht exklusiv an es gebunden seien. „MyTaxi“ erwecke auch nach außen hin nicht den Eindruck, mehr als ein reiner Vermittler zu sein und unterscheide sich damit von Uber [gemeint: wohl UberPop], das sich nicht unabhängiger Fahrer bedient habe, sondern Fahrer erst zu Personenbeförderern gemacht habe. Weil der jeweilige Fahrer das volle Entgelt erhalte, fehle es schon an einer rechtswidrigen Haupttat, an der sich „MyTaxi“ beteiligen könne. Dass der Fahrer vorab seine Fahrpreisforderung an den App-Betreiber abtrete und dann abzüglich einer Provision zurück erhalte, stelle keine Tarifunterschreitung dar. Die Hamburger Richter äußerten sich nicht zu der Höhe der –zum Zeitpunkt der angegriffenen Werbeaktion variablen – Provision, die zum 01.07.2015 auf einen Festsatz von 7 Prozent geändert wurde.

Ein schmaler Grat

Das Hamburger Ergebnis darf man kritisch sehen. Wenn man wirklich allein auf das „Außenverhältnis“ des App-Betreibers zum Fahrgast abstellt, könnte auch Uber in Bezug auf UberBlack und das eingestellte UberPop nur Vermittler sein. Die Gestaltung beider Apps ähnelt sich stark:

- Bedienung der App: Über beide Dienste kann man sich ein Fahrzeug rufen, das GPS-gesteuert den Standort des Nutzers übermittelt bekommt. Man kann den Fahrer sich nähern sehen und ihn anrufen. Am Ende der Fahrt bezahlt man in der App und erhält einen Zahlungsbeleg.

- Bezahlung: Beide Dienste nehmen Einfluss auf die effektive Höhe der Fahrtkosten und die Zahlungsmodalitäten, und man darf auch bei Uber unterstellen, dass Uber und nicht die einzelnen Fahrer das Ausfallrisiko trägt.

- Formal sind bei beiden Diensten die Fahrer selbständige Unternehmer und der App-Betreiber tritt nur als Vermittler auf.  

LG Hamburg nimmt ebenfalls Gesamtbetrachtung vor

Tatsächlich bezieht das Landgericht Hamburg hier weitere Umstände in die Bewertung ein, nämlich

- ob der App-Betreiber die Fahrer exklusiv an sich bindet

- ob die Fahrer frei sind, einen Auftrag anzunehmen oder abzulehnen,

- ob die Fahrer vom App-Betreiber voll, d.h. nach dem Taxameter (abzüglich Vermittlungsprovision) bezahlt werden,

- ob die Fahrer eine Taxenlizenz haben.

Diese Punkte betreffen allesamt jedoch das „Innenverhältnis“, das sich eben doch maßgeblich auf die Entscheidung der Hamburger Richter auswirkt. In diesem Punkt überzeugt das Urteil nicht. Das „Innenverhältnis“ soll nach den Entscheidungsgründen des Gerichts „unmaßgeblich“ sein, doch die o.g. Aspekte fließen erkennbar in die Bewertung der Hamburger Richter ein.

Auch könnte man im „Außenverhältnis“ ebenso gut darauf abstellen, dass „MyTaxi“ den Preis um die Hälfte reduziert, also einen gewaltigen Anreiz setzt, mit „MyTaxi“ und nicht mit einer anderen App zu fahren. Ob aus Kundensicht ein Vertrag mit einem unabhängigen Taxiunternehmer zustande kommt oder ob nicht die Kunden aus ihrer maßgeblichen Sicht „mit MyTaxi“ fahren, wäre interessant einmal durch eine Umfrage zu ermitteln.

Schließlich wird ein „Vermittler“ vorgeschaltet, dessen Finanzkraft die der einzelnen Fahrer in bizarrer Weise übersteigt. Insofern wackelt der Schwanz mit dem Hund. „MyTaxi“ ist eine Tochtergesellschaft der moovel GmbH, die wiederum der Daimler AG gehört. Deren Unternehmenswert wird aktuell auf 166 Milliarden Euro geschätzt (Quelle: Yahoo Finanzen, Abruf 14.10.2015). Die Daimler AG stellt eine Vielzahl der Taxen her und ist mit weiteren Mobilitätsangeboten wie Car2Go auf dem Markt vertreten.

Taxizentralen selbst dürfen keine Rabatte gewähren

Zutreffend haben die Antragsteller in dem Hamburger Verfahren darauf hingewiesen, ihren Mitgliedsunternehmen - Zusammenschlüssen von Unternehmern im Sinne des § 3 PBefG – sei es verwehrt, selbst irgendwelche Rabatte zu gewähren. Und hier zeigt sich die Sprengkraft der von „MyTaxi“ gewählten Umgehungskonstruktion. Einem Dritten, der wie Uber die Finanzkraft besitzt, den gesamten Markt der Personenbeförderung umzukrempeln, wird zugestanden, durch eine Umgehungskonstruktion die Preise deutlich zu unterbieten – während für mittelständische Unternehmer die Taxenordnung bindend bleibt.

Hat das Urteil Bestand, muss es dazu führen, dass, wer auf dem Markt bestehen will, sich einen gesellschaftsrechtlich unabhängigen „Vermittler“ sucht, mit dessen Hilfe er legal geringere Fahrpreise realisieren kann. Das setzt insbesondere bei mittelständischen Taxenunternehmern ohne finanzkräftigen „Sponsor“ einen Anreiz, dass sich der „Vermittler“ über die „Vermittlungsprovision“ den Rabatt wiederholt – und damit die „Festpreise“ der Taxenordnungen auf Dauer aushöhlt. Die Gerichte könnten dann in absehbarer Zeit die Frage zu entscheiden haben, ab welcher Höhe der Provision im „Innenverhältnis“ die Fahrer die Taxenordnung, an die sie gebunden sind, de facto aushebeln. Wettbewerbsrechtlich haftbar sind natürlich nur die Fahrer. Die „Vermittler“ bleiben außen vor.

Weitere Urteile stehen aus


Schon in einer Woche wird es weitere Neuigkeiten hierzu geben. Das Oberlandesgericht Stuttgart will am 12. November das Berufungsurteil in Sachen „MyTaxi“ verkünden.

Auch in Frankfurt wird sich das Landgericht mit dem Rabatt befassen müssen. Die Taxi Deutschland Servicegesellschaft hat dort nach Medienberichten Hauptsacheklage wegen des Rabatts erhoben (Verfahren 3-06 O 72/15). Dort ist am 24. November Termin.

 

 

Von: Rechtsanwalt Martin Bolm

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