15.05.2015

EuGH stärkt Urheber: Bereits Werbung kann das Verbreitungsrecht verletzen

Greift das Bewerben von geschützten Werken in das ausschließliche Verbreitungsrecht des Urhebers ein? Auch dann, wenn kein Werk verkauft wurde? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich diese Fragen bejaht und damit die Position der Rechteinhaber gestärkt (Urteil vom 13.05.2015, Az.: C-516/13).

Ein italienischer Händler bewirbt in Deutschland über seine Website die von ihm angebotenen Produkte. Ein anderer Hersteller sieht darin seine Urheberrechte verletzt, da seine Produkte hierzulande urheberrechtlichen Schutz genießen, weshalb es ihm vorbehalten bleibt, diese in den Verkehr zu bringen. Doch wann wird ein Werk in der Öffentlichkeit verbreitet? Bereits mit der Werbung hierfür? Auch dann, wenn kein Produkt verkauft wurde?

In einem Vorabentscheidungsverfahren hat der EuGH am 13.05.2015 klargestellt: Werbung kann das ausschließliche Verbreitungsrecht des Urhebers verletzen. Rechteinhaber können Erwerbsangebote oder gezielte Werbung für ihr Original oder für Vervielfältigungsstücke verbieten. Auch dann, wenn es zu keinem Verkauf innerhalb der europäischen Union kam. Vorausgesetzt, Verbraucher des Mitgliedstaates, hier Deutschland, werden durch die Werbung zum Kauf angeregt. Nach Ansicht der Richter sei es für die „Feststellung einer Verletzung des Verbreitungsrechts unerheblich (…), dass auf diese Werbung nicht der Übergang des Eigentums an dem geschützten Werk oder seinen Vervielfältigungsstücken folgt“ (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Mai 2015 in Sachen C-516/13). Entsprechend der EU-Richtlinie 2001/29/EG (Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft) beantwortete der EuGH einzelne Fragen, die ihm zuvor der Bundesgerichtshof vorgelegt hatte.

EuGH beantwortet Vorlagefragen zugunsten Rechteinhabern

Im Ausgangsverfahren handelt es sich um einen Urheberrechtsstreit zwischen einem Unternehmen der Knoll-Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Sitz in den USA hat, und dem italienischen Möbelhändler Dimensione, der europaweit Designermöbel im Direktvertrieb und auf seiner Website angeboten hatte. Die Knoll-Gruppe bietet weltweit hochwertige Möbel an und war der Ansicht, dass es sich bei den von Dimensione in Deutschland in den Jahren 2005 und 2006 beworbenen und über ihre Internetseite angebotenen Möbeln um Nachahmungen oder Fälschungen ihrer geschützten Designs handele. Knoll begehrte vor dem Landgericht Hamburg Dimensione zu verbieten, diese Möbel in Deutschland anzubieten, da ihre Möbel als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz genießen. Nach Ansicht von Knoll verletze Dimensione mit seiner in Deutschland veröffentlichten Werbung für Vervielfältigungsstücke geschützter Designs das Verbreitungsrecht der Knoll-Gruppe aus § 17 Abs. 1 UrhG. Das Landgericht Hamburg gab der Klage von Knoll statt und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg bestätigte diese Entscheidung. Daraufhin legte Dimensione Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH stellt fest, dass der Erfolg der Revision von der Auslegung des Art. 4 Abs. 1 der EU-Richtlinie 2001/29/EG abhinge und fragte daher den EuGH: Umfasst  das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 das Recht, ein Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten? Weiterhin, ob auch Werbemaßnahmen von diesem Recht erfasst sind? Und schließlich, ob das Verbreitungsrecht auch dann verletzt sei, wenn es aufgrund des Werbeangebotes nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes gekommen sei?

Urheberrecht verletzt: Ein Produkt muss nicht erst verkauft werden


Der EuGH hat nun klargestellt: Nach Auslegung Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29  kann ein Inhaber von Verbreitungsrechten an einem geschützten Werk  die gezielte Werbung für Originale oder deren Vervielfältigungsstücke verbieten. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Schutzgegenstand innerhalb der Europäischen Union wegen der Werbung auch tatsächlich verkauft worden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Werbung Verbraucher in dem betroffenen Mitgliedstaat, also in dem das Werk geschützt ist, zum Erwerb anregt.

Fazit

Das Urheberrecht erfährt durch die weite Auslegung des Begriffs der Verbreitung eine deutliche Stärkung. Der EuGH bestätigte die gängige Rechtsprechung darin, dass unter dem Begriff der Verbreitung nicht nur der Abschluss von Kaufverträgen fällt, sondern vielmehr auch vorangegangene Handlungen, wie Werbemaßnahmen. Bereits die Werbung für geschützte Werke, also die Aufforderung an Kunden diese Werke zu erwerben, kann das ausschließliche Verbreitungsrecht des Rechteinhabers verletzten. Der Inhaber eines Urheberrechts kann also gegen diese Werbung und die drohende Verbreitung vorgehen. Er muss nicht erst abwarten bis sein geschütztes Werk oder Vervielfältigungen davon tatsächlich verkauft wurden, also ein Übergang des Eigentums erfolgte.  Dies stärkt die Position des Urheberrechtsinhabers bei der praktischen Verfolgung von Rechtsverletzungen ganz erheblich. Die Entscheidung ist damit aus Sicht der Rechteinhaber sehr erfreulich.

Von: Rechtsanwalt Kay Spreckelsen

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