15.05.2014

EuGH: Google muss Links löschen

Google muss Links aus seinen Suchergebnislisten löschen, wenn durch diese in das Privat- und Familienleben eingegriffen oder der Datenschutz eines Einzelnen verletzt werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 13.05.2014 (Rechtssache C-131/12) entschieden.

Der Suchmaschinenbetreiber Google ist verpflichtet, bestimmte Links aus seinen Ergebnislisten zu löschen, wie der EuGH am 13.05.2014 (Rechtssache C-131/12) entschieden hat. Somit wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Verknüpfung zu Internetseiten von Dritten verhindert, auf denen  Informationen über einzelne Personen abrufbar sind. Diese Entscheidung dürfte über den Datenschutz hinaus Bedeutung erlangen, insbesondere auch für das Urheberrecht.

Der EuGH hat zunächst festgestellt, dass sich Google Spain nicht darauf berufen könne, dass die eigentliche Suche auf von Google Inc. betriebenen Servern stattfindet, die sich außerhalb der EU befänden. Auch sei es unerheblich, ob die personenbezogenen Daten auf den Seiten Dritter rechtmäßig oder rechtswidrig eingestellt seien. Eine vorherige oder gleichzeitige Löschung der Informationen auf den Seiten Dritter sei für den Löschungsanspruch ebenso wenig erforderlich wie ein durch die Verlinkung hervorgerufener Schaden.

EuGH: Grundrechte des Einzelnen überwiegen die wirtschaftlichen Interessen von Google

Im Ausgangsverfahren hatte sich ein spanischer Kläger dagegen gewehrt, dass bei Eingabe seines Namens über den spanischen Internetauftritt des Suchmaschinenbetreibers Google Links zu zwei Seiten einer Tageszeitung aus dem Jahr 1998 angezeigt wurden. Hierauf waren Anzeigen enthalten, in denen die Versteigerung eines Grundstücks des Klägers wegen Forderungen der Sozialversicherung unter Nennung seines Namens angekündigt wurde. Die Verlinkung durch Google sei unzulässig, weil die der Versteigerungsankündigung zugrunde liegende Pfändung seines Grundstücks längst erledigt sei und deshalb keine Erwähnung mehr verdiene. Entsprechende Verlinkungen seien zu löschen. Dem stimmte der EuGH im Ergebnis zu. Die Rechte des Einzelnen auf Achtung des Privatlebens und Schutz seiner personenbezogenen Daten wiegen grundsätzlich schwerer als Googles wirtschaftliche Interessen und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Ob die Tageszeitung selbst verpflichtet ist, den Beitrag zu löschen, ist für Googles Löschpflichten ohne Bedeutung.
Google hat Daten im Sinne der DatenschutzRL verarbeitet
Google Spain hat, wie der Gerichtshof feststellt, personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzRL) verarbeitet, indem das Internet automatisiert, kontinuierlich und systematisch „durchforstet“ worden sei. Hierbei würden Daten mit Indizierungsprogrammen ausgelesen, gespeichert und organisiert, auf Servern aufbewahrt und – im Falle des Abrufs – weitergegeben und bereitgestellt. Hierin sei eine Datenverarbeitung im Sinne der DatenschutzRL zu sehen, ohne dass es darauf ankäme, ob möglicherweise ausschließlich Daten enthalten seien, die anderweitig bereits veröffentlicht waren, da nur so der Schutzbereich der Richtlinie aufrechterhalten werde.

Werbung führt zur Haftung von Google Spain

Dass die eigentliche Datenverarbeitung nicht von Google Spain, sondern von Google Inc. durchgeführt wird, entbindet Google Spain nicht von der Haftung; maßgeblich sei nicht, ob die Daten „von“ Google Spain, sondern ob sie „im Rahmen der Tätigkeiten“ von Google Spain verarbeitet würden. Dies sei jedoch hier der Fall, da Google Spain als spanische Niederlassung von Google Inc. anzusehen sei. Auf die Gesellschaftsform kommt es nicht an, das Gericht orientiert sich allein am Begriff der „Niederlassung“ im Sinne der Richtlinie. Google Spain sei in Spanien tätig, besitze eigene Rechtspersönlichkeit und sei deshalb als Tochtergesellschaft von Google Inc. zu betrachten. Beider Tätigkeiten seien untrennbar miteinander verbunden, denn der Verkauf von Werbeflächen neben den Suchergebnissen, durch die die Suche finanziert werde, sei ohne die Suchergebnisse selbst nicht denkbar. Die Verarbeitung der Daten des Klägers erfolgte im Rahmen der Werbetätigkeit.

Das Recht des Einzelnen auf „Vergessen“

Die Verlinkung zu den – veralteten – Tageszeitungen war nach Meinung des Gerichtshofes unzulässig geworden, weil durch Zeitablauf der Zweck, der die ursprüngliche Erhebung bzw. Verarbeitung der Daten rechtmäßig gemacht hatte, entfallen war. Eine Verlinkung ist jedoch nur dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Verlinkung die Information noch verarbeitet werden durfte, wenn also ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 7 der DatenschutzRL vorliegt, das nicht von Grundrechten oder Grundfreiheiten Betroffener überwogen wird. Im Rahmen des so erforderlichen Abwägungsprozesses sei die potentielle Schwere des Eingriffs zu berücksichtigen.

Der EuGH kommt im konkreten Fall zu dem Schluss, dass der Kläger ein Recht darauf hat, veraltete sensible Informationen nicht in der Ergebnisliste mit seinem Namen verknüpft zu sehen.   Nach Ansicht des Gerichtshofes bestünde kein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit im Rahmen einer Suche nach dem Namen des Klägers einen Zugang zu den genannten Informationen zu erhalten. Grundsätzlich überwiegen nämlich die Grundrechte des Betroffenen auf Achtung seines Privatlebens und auf Schutz seiner Daten aus Art. 7 und 8 der Grundrechtecharta die wirtschaftlichen Interessen des Suchmaschinenbetreibers sowie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Ausnahmen seien allenfalls dann denkbar, wenn besondere Gründe vorlägen, etwa angesichts der Rolle einer Person im öffentlichen Leben, soweit also Ereignisse der Zeitgeschichte betroffen sind. Der Kläger könne daher nach der DatenschutzRL die Entfernung der Links von Google verlangen.

Ein grundsätzliches Recht auf „Vergessenwerden“ lässt sich aus dieser Entscheidung zwar nicht ableiten, jedoch ein Anspruch dahingehend, dass der Zugriff auf personenbezogene Daten nicht ohne die Zustimmung des Berechtigten durch Verlinkungen erleichtert wird.

Keine Subsidiarität der Verantwortlichkeit

Der EuGH hält es ferner nicht für erforderlich, dass vor Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers der eigentliche Anbieter zur Löschung aufgefordert wird. Insoweit bestehe in der Verlinkung eine eigene Beeinträchtigung des Rechteinhabers, die über diejenige durch Dritte etwa erzeugte hinausgeht und somit eine eigene Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbetreibers neben der Verantwortlichkeit Dritter, die gesondert zu prüfen ist. Es besteht insoweit keine Subsidiarität der Verantwortung. Im Übrigen könne sich die Rechtsverfolgung gegenüber Dritten als schwierig bis unmöglich gestalten, so dass wenigstens die weitergehende Beeinträchtigung zu beenden sei.

Den Suchmaschinenbetreiber trifft also eine eigene Verantwortung hinsichtlich seiner Verlinkungen; er kann sich auch nicht darauf berufen, dass die automatisierte Erfassung der Daten nicht durch Ausschlussprotokolle verhindert worden sei, denn der Suchmaschinenbetreiber entscheidet selbst über Zwecke und Mittel der Verarbeitung.

Fazit

Diese auf den ersten Blick überraschend anmutende Entscheidung stellt sich bei näherem Betrachten als folgerichtige Weiterentwicklung neuerer Rechtsprechung des EuGH zur Vermittlerhaftung dar und hat Auswirkungen über den unmittelbar betroffenen Bereich des Daten- und Persönlichkeitsrechtsschutzes hinaus. Die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern wurde erheblich ausgedehnt, wohl auch zu Gunsten der Inhaber weiterer Schutzrechte. Der dem Urteil zugrunde liegende Gedanke, wonach verlangt werden kann, unberechtigt verarbeitete Daten löschen zu lassen, ist auf das Recht des Geistigen Eigentums übertragbar.

Die Argumentation des Gerichtshofes wird deshalb auch im Urheberrecht zu einem ähnlichen Ergebnis führen, wenngleich das Urteil nicht unmittelbar auf diesen Bereich Anwendung findet. Es ist jedoch zu erwarten, dass der EuGH in Fällen von Rechtsverletzungen den Schutz des Geistigen Eigentums aus Art. 17 Abs. 2 der Grundrechtecharta als ähnlich bedeutend ansehen wird wie die Rechte aus Art. 8 und 9, da beiden Fallkonstellationen Ansprüche Berechtigter und rechtswidrige Verlinkungen gemeinsam sind. Im Fall unberechtigt öffentlich zugänglich gemachter Werke muss allerdings anders als im Bereich des Persönlichkeitsrechts keine Güterabwägung vorgenommen werden, weil die bereitgestellten Inhalte grundsätzlich – und gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber problemlos nachweisbar – rechtsverletzend sind. Ein schützenswertes Interesse, ungehinderten Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten zu erhalten, existiert nicht.

Im Falle eines betroffenen Persönlichkeitsrechts ist es jedoch durchaus denkbar, dass die von Dritten bereitgestellten Daten einem im Sinne der DatenschutzRL legitimen Zweck dienen können, so dass lediglich die Verlinkung, nicht aber der zugänglich gemachte Inhalt selbst rechtsverletzend sein kann.

Suchmaschinenbetreiber wie Google werden sich deshalb in Zukunft darauf einzustellen haben, auch die Löschung solcher Links sicherzustellen, die mittel- oder unmittelbar zu rechtsverletzenden Inhalten führen. Das wird auch die Löschung von Verlinkungen zu ganzen Internetseiten, die ihrerseits Linksammlungen zu rechtsverletzenden Inhalten anbieten, einschließen. Die Entscheidung des BGH „AnyDVD“, die die Verlinkung jedenfalls auf die Eingangsseite als von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst ansah, wird sich nicht auf Suchmaschinenanbieter übertragen lassen und ist möglicherweise gar obsolet geworden.

Von: Thorsten Scharnke, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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