11.02.2019

BREXIT – Welche Änderungen kommen auf Unternehmen zu?

Unversöhnlich stehen sich derzeit im Vereinigten Königreich die Befürworter eines „harten“ Brexit und diejenigen gegenüber, die die Wirkungen auf den Handel und viele weitere Bereiche durch Vereinbarungen mit der EU abmildern möchten. Derzeit erscheint ein harter Brexit wahrscheinlich. Am 30. März 2019, 00:00 Uhr, wird dann das Vereinigte Königreich (VK) ohne weitere Übergangsfrist zu einem Drittstaat. In dieser Übersicht zeigen wir, in welchen Bereichen dies zu Änderungen für Unternehmen führt.

Die hier besprochenen Änderungen gelten in der Regel auch für Island, Liechtenstein und Norwegen, da diese Länder durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die meisten EU-Regelungen übernommen haben. 

Änderungen für den Handel

Import von Waren von VK-Herstellern in die EU-27

Am 30. März 2019, 00:00 Uhr, wird das Vereinigte Königreich (VK) ein Drittstaat. Unternehmen mit Sitz in der EU-27, die Produkte aus dem VK importieren, werden ab diesem Datum vom Distributor zum Importeur. Importeure (auch: Einführer, Erstinverkehrbringer) von Produkten aus Drittstaaten tragen eine hohe Produktverantwortung, die an die Pflichten der Hersteller angelehnt ist. So müssen sie unter anderem sicherstellen, dass ein Konformitätsbewertungsverfahren stattgefunden hat, dass der Hersteller die technische Dokumentation erstellt hat und seinen Kennzeichnungspflichten nachgekommen ist, und müssen eine Kopie der CE-Konformitätserklärung 10 Jahre lang für Behörden bereithalten. Einen Überblick über die Pflichten der Importeure gibt Kapitel 3.3 des „Blue Guide“. Der Wechsel in der Rolle in der Vertriebskette gilt nicht für Produkte, die schon vor dem 30. März in der EU in den Verkehr gebracht wurden. Hier kommt es auf das konkrete einzelne Produkt an. 

 

Export von Waren aus der EU-27 in das VK

Produkte, die nach harmonisierten EU-Anforderungen konform sind und auf dem Binnenmarkt in den Verkehr gebracht werden dürfen, können bis auf weiteres auch im Vereinigten Königreich auf den Markt gebracht werden. Eine zusätzliche Kennzeichnung, Zertifizierung oder Zulassung ist nicht erforderlich. Das VK behält sich vor, diese zeitlich begrenzte Zusage irgendwann aufzuheben. Das VK hat jedoch angekündigt, eine eigene Kennzeichnung („UK Marking“) einzuführen. 

Für Produkte, für die keine EU-weit harmonisierten Anforderungen gelten, wie z.B. Möbel oder Kleidung, kann es zu neuen britischen Anforderungen kommen, die beim Export zu beachten sind.

 

Produktkennzeichnung

Auch bei der Produktkennzeichnung ergeben sich Änderungen. Das gilt sowohl beim Import von Produkten von VK-Herstellern in die EU-27 als auch in die andere Richtung:

Import von Waren von VK-Herstellern in die EU

Für viele Produkte von Herstellern aus dem VK gilt künftig, dass neben dem Hersteller zusätzlich der Importeur auf oder an dem Produkt angegeben werden muss*. Bislang war bei Produkten von Herstellern aus dem VK die Angabe eines Importeurs nicht notwendig, denn bereits der Hersteller saß in der EU und ein Importeur im Sinne des EU-Rechts existierte nicht. Für alle Produkte aus dem VK, für die kein anderer Erstinverkehrbringer existiert, sollte daher die Produktkennzeichnung überprüft und ggf. ergänzt werden. Dies gilt für alle Produkte, die ab dem 30. März 2019 auf dem EU-27-Markt in Verkehr gebracht werden.

*beispielsweise nach dem Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit (EMVG), nach der 1. Produktsicherheitsverordnung (1. ProdSV) für Elektrogeräte nach Niederspannungsrichtlinie, nach der Elektrostoffverordnung (ElektroStoffV) für Elektrogeräte nach RoHS, für Geräte mit Funkkomponenten nach dem Funkanlagengesetz (FuAG), nach der PSA-Verordnung für persönliche Schutzausrüstung.

Import von Waren aus der EU-27 in das VK

Britische Unternehmen, die Produkte eines Herstellers mit Sitz in der EU ins VK importieren, werden auf die gleiche Weise vom Distributor zum Importeur. Denn auch im Verhältnis zum VK werden die EU-Staaten zu Drittstaaten. Darauf weist die britische Regierung hin. Die britischen Importeure sind ab dem 30. März verpflichtet, ihre Kontaktdaten als Importeur auf oder am Produkt anzugeben. Für eine Übergangsfrist von 18 Monaten soll laut britischer Regierung die Kennzeichnung auf Begleitdokumenten erlaubt sein. 

 

Konformitätsbewertung mit akkreditierten Stellen aus dem VK

Bevor ein Hersteller CE-kennzeichnungspflichtige Produkte in der EU in den Verkehr bringt, muss er sie auf ihre Konformität mit den für sie geltenden EU-Produktvorschriften prüfen. Als Ergebnis dieser Prüfung darf er das CE-Zeichen aufbringen. Das CE-Zeichen ist die Eigenerklärung des Herstellers, dass sein konkretes Produkt mit den EU-Sicherheits- und Umweltstandards übereinstimmt. Üblicherweise hat der Hersteller die Wahl unter einer Eigen-Zertifizierung oder einer Zertifizierung durch Dritte oder gemeinsam mit Dritten, so genannten akkreditierten Stellen (notified bodies). Das sind staatlich zugelassene Prüfinstitute. Eine Beteiligung akkreditierter Stellen ist freiwillig möglich, bei bestimmten Produktgruppen dagegen verpflichtend. Aus dem Bereich der Musik- und Veranstaltungswirtschaft ist das beispielsweise bei Funkprodukten der Fall, für die keine harmonisierten Normen existieren, sowie bei persönlicher Schutzausrüstung (PSA) der Kategorien II und III. Solche Produkte sind erkennbar an der neben dem CE-Zeichen aufgebrachten vierstelligen Nummer der akkreditierten Stelle.

Akkreditierte Stellen müssen in einem EU-Mitgliedsstaat niedergelassen sein. Mit dem Austrittsdatum werden akkreditierte Stellen mit Sitz im VK nicht mehr in der Lage sein, Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen. Die EU-Kommission empfiehlt, für die CE-Zertifizierung nur noch akkreditierte Stellen mit Sitz in der EU-27 zu beauftragen. Für Produkte, die bereits auf dem Markt befindlich sind, kann vertraglich zwischen der neuen akkreditierten Stelle und der akkreditierten Stelle im VK geregelt werden, wie die Konformitätsunterlagen übergeben werden. 

 

Vertreter in der EU

Hersteller aus Drittstaaten, die Industrieprodukte (außer Chemikalien, Kosmetika, Medizinprodukte) an Importeure mit Sitz in der EU liefern, können nach verschiedenen EU-Regelungen vertraglich einen Vertreter in der EU (Authorized Representative/ Responsible Person) bestellen, der für sie Ansprechpartner der Behörden in den Mitgliedsstaaten ist. Seine Aufgabe kann es beispielsweise sein, Behörden auf Anfrage die Konformitätserklärung oder die technische Dokumentation zur  Verfügung zu stellen. Für die in der Musikbranche gängigen Produktgruppen ist die Bestellung eines solchen Vertreters freiwillig. Der Brexit wirkt sich auch hier aus:

Export von Produkten in das VK: Nach Angaben der britischen Regierung erkennt das VK in der EU bereits ansässige Vertreter von Unternehmen aus Drittstaaten auch nach dem 30. März weiter als Vertreter an. 

Import von Produkten in die EU-27: Hat ein Hersteller aus einem Drittstaat einen Vertreter im VK als EU-Vertreter bestellt, kann dieser ab dem 30. März diese Rolle nicht mehr wahrnehmen. Das Unternehmen kann einen neuen Vertreter mit Sitz in der EU-27 beauftragen. 

 

Geoblocking in Online-Shops

Seit dem 3. Dezember müssen Onlinehändler die Geoblocking-Verordnung beachten. Danach ist es ohne sachlichen Grund innerhalb der EU nicht erlaubt, Kunden eines Onlinedienstes oder -shops im eigenen Liefergebiet aus Gründen deren Herkunft ohne deren Zustimmung zu einer anderen Version weiterzuleiten, die Website für sie zu sperren oder unterschiedliche AGB oder Zahlungsbedingungen anzuwenden. „Nicht diskriminierende“ unterschiedliche Preise und AGB bleiben dagegen erlaubt. Mit dem Austritt des VK aus der EU gelten die Vorgaben dieser Verordnung nicht mehr für Verkäufe eines EU-Händlers an Kunden aus dem VK. Ihnen gegenüber können Händler ohne Einschränkungen abweichende Bedingungen anbieten. Das gilt umgekehrt auch für Händler aus dem VK gegenüber EU-Kunden.

 

Einfuhrumsatzsteuer auf Sendungen von Online-Shops aus dem VK

Onlinehändler aus der EU-27 profitieren mit einem harten Brexit davon, dass auf Sendungen aus den beliebten Online-Shops im VK in die EU-27 künftig Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten ist. Das gilt für alle Warensendungen ab 22 Euro. 

Zwischen einem Wert von 22 und 150 Euro sind die Sendungen zwar zollfrei, müssen aber elektronisch beim Zoll angemeldet werden, und es fällt Einfuhrumsatzsteuer an. Ab einem Wert von 150 Euro muss zusätzlich Zoll entrichtet werden. Für bestimmte Waren wie Kaffee, Tabak und alkoholische Getränke gelten besondere Verbrauchssteuern. 

 

Datenschutz

Aus der Eigenschaft als Drittstaat ergibt sich, dass Datentransfers in das VK künftig nach den Artikeln 46 ff. DS-GVO abgesichert werden müssen. Dazu kann man bspw. mit verhältnismäßig geringem Aufwand auf Standardvertragsklauseln zurückgreifen. Über Datenübermittlungen in Drittstaaten muss in den Informationen nach Art. 13 und 14 DS-GVO aufgeklärt werden und sie müssen in dem Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DS-GVO erfasst sein.

Für Unternehmen aus Drittstaaten, die einen EU-Vertreter nach Artikel 3 Abs. 2 und Art. 27 DS-GVO bestellen müssen, gilt, dass dieser Vertreter nicht mehr im VK seinen Sitz haben kann. 

 

Datenbankrechte

Seit 21 Jahren gilt in der EU ein so genanntes Sui-generis-Schutzrecht zugunsten der Hersteller von Datenbanken mit Sitz in der EU. Es wurde in Deutschland im Urheberrechtsgesetz umgesetzt. Es schützt die Investitionen des Herstellers auch in solche Datenbanken, die nicht durch ihre Anordnung oder Sammlung eine schöpferische Leistung darstellen oder aus für sich selbst schutzfähigen Werken bestehen. Damit besteht in der EU ein höheres Schutzniveau für Hersteller von Datenbanken, als es weltweit bislang in Urheberrechtsverträgen umgesetzt wurde. Unternehmen aus dem VK werden sich ab dem 30. März nicht mehr auf das Sui-generis-Schutzrecht berufen können.

 

Erschöpfung im Marken- und Urheberrecht

Der Handel mit urheberrechtlichen Werkstücken (z.B. CDs, DVDs, Bücher) zwischen dem VK und der EU kann beeinträchtigt werden. Nach dem urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz dürfen Werkstücke, die durch oder mit Zustimmung des Berechtigten in der EU in den Verkehr gebracht wurden, innerhalb der EU frei zirkulieren. Der Berechtigte kann den Verkauf in andere Mitgliedsstaaten nicht verbieten.

Für die Zeit nach dem 30. März hat das VK angekündigt, dass Importe erschöpfter Werkstücke in das VK zunächst zulässig bleiben sollen.

Anders ist es beim Import aus dem VK in die EU: Parallelimporte von Werkstücken aus dem VK in die EU können verboten werden, es sei denn, der Verbreiter hat eine Lizenz auch für die EU oder das konkrete Werkstück war bereits zuvor mit Zustimmung des Berechtigten in der EU in den Verkehr gebracht worden.

 

Das Gleiche gilt für markenrechtlich geschützte Artikel. Parallelimporte von nicht erschöpften Waren über das VK in die EU können verboten werden.

Von: Rechtsanwalt Martin Bolm

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