15.06.2015

OLG München: Google haftet für rechtswidrige Tatsachenbehauptungen in Snippets

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat die Suchmaschine verpflichtet, bestimmte Aussagen, die den Antragsteller in seinem Unternehmerpersönlichkeitsrecht verletzen, nicht mehr in Snippets anzuzeigen und nicht auf die Seite zu verlinken, auf der diese Behauptungen aufgestellt werden (Beschluss vom 27.04.2015, Az.: 18 W 591/15).

Bei Eingabe eines bestimmten Suchbegriffes wurde in der Google-Suche ein Blogbeitrag eines unbekannten Autors über die Antragstellerin verlinkt. Aus dem Blogbeitrag ergab sich nach dem Verständnis des Senats die Behauptung, eine Staatsanwaltschaft ermittle gegen die Antragstellerin wegen Betrugs im Zusammenhang mit ihrem Geschäftsmodell.

OLG: Betrug und Kapitalanlagebetrug sind zwei verschiedene Paar Schuhe

Das OLG München hat diese Aussage in dem verlinkten Beitrag und in dem Snippet als unwahre Tatsachenbehauptung angesehen.

Zunächst liege eine Tatsachenbehauptung und keine Meinungsäußerung vor, weil sie nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht sei, sondern beim Leser zugleich die Vorstellung von konkreten, dem Beweis zugänglichen Vorgängen erwecke.

Der Leser verstehe die Aussagen in dem Snippet und dem Blogbeitrag so, dass eine Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts ermittle, Verantwortliche der Antragstellerin hätten einen Betrug im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell begangen. Diese Behauptung sei schon zum Zeitpunkt der Äußerung unwahr gewesen.

Denn es wurde zwar  nach den Angaben der Antragstellerin gegen sie strafrechtlich ermittelt, jedoch nicht wegen des Verdachts des Betrugs, § 263 StGB, sondern wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs, § 264a StGB. Diesen Unterschied hält das Oberlandesgericht für erheblich. Kapitalanlagebetrug sei ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei dem weder die Täuschung eines individuellen Anlegers noch eine individuelle Vermögensverfügung notwendig sei. Der Tatbestand des Kapitalanlagebetrugs sei schon erfüllt, wenn an einen größeren Personenkreis z.B. Werbemittel verbreitet werden, die aufgrund des unrichtigen Inhalts geeignet sind, bei potentiellen Anlegern Fehlvorstellungen über die Risiken hervorzurufen. Ein Schaden müsse nicht eingetreten sein. Sowohl die Zeitpunkte der Vollendung des Tatbestands als auch der Beendigung seien unterschiedlich. § 264a StGB trete zudem hinter den § 263 zurück, wenn es tatsächlich zu einer Täuschung eines konkreten Anlegers komme.

Unvollständige Sätze im Snippet können trotzdem relevante Aussagen enthalten

Die – inhaltlich falsche – Tatsachenbehauptung, gegen die Antragstellerin werde wegen „Betrugs“ im Sinne von § 263 StGB ermittelt, konnte der Leser, so das Gericht, auch schon dem „Snippet“ entnehmen, das in der Google-Suche angezeigt wurde. Dabei spielte es nach Ansicht des Gerichts keine Rolle, dass sowohl der Blogbeitrag als auch das „Snippet“ keine abgeschlossenen Sätze enthielten, sondern mit „…“abrissen.

Die falsche Tatsachenbehauptung verletze die Antragstellerin auch in ihrem Unternehmerpersönlichkeitsrecht. Für die Inhalte hafte Google als Störer. Weder das Snippet noch der Link auf das Suchergebnis stellten eigene Inhalte der Suchmaschine dar.  Nachdem die Antragstellerin Google auf das rechtsverletzende „Snippet“ und den Link hingewiesen hatte, hätte Google beides sperren müssen.

OLG München, Beschluss 18 W 591/15 vom 27.04.2015

Anmerkung

Vor kurzem hat auch die Pressekammer des Landgerichts Hamburg festgehalten, dass bestimmte Aussagen in Snippets den Betreiber einer Suchmaschine zur Sperrung des betreffenden Snippets und des Links verpflichten können (LG Hamburg, Urteil 324 O 660/12 vom 07.11.2014). Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um so genannte geschlossene, also eindeutige Aussagen handelt. Außerdem muss die Suchmaschine zuvor auf den betreffenden rechtsverletzenden Inhalt hingewiesen werden. Die Anforderungen an eine solche Mitteilung dürften denen entsprechen, die der BGH in der Entscheidung „Blogspot“ aufgestellt hat (BGH VI ZR 293/10). Wie frühere Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamburg zeigen, kann aber nicht schlechthin jede Aussage in „Snippets“ angegriffen werden (OLG Hamburg Urteil 7 U 126/06 vom 20.02.2007; OLG Hamburg Urteil 3 U 67/11 vom 26.05.2011).

Wie zuletzt auch der EuGH festgehalten hat, muss ein Betroffener sich nicht zuerst an den Betreiber der verlinkten Website wenden und diesen zur Löschung bzw. zur  Unterlassung auffordern. Er kann sich auch direkt an den Suchmaschinenbetreiber wenden (vgl. EuGH C-131/12 Costeja Gonzalez u.a. ./. Google Inc. u.a.; vgl. ferner bereits BGH VI ZR 101/06).

Von: Rechtsanwalt Martin Bolm

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