26.09.2013

Ministry of Sound verklagt Spotify: Genießen Playlisten urheberrechtlichen Schutz?

Stellen Nutzer des Musikstreamingdientes Spotify ihre Playlisten in derselben Reihenfolge wie auf sogenannten Compilations des englischen Musiklables Ministry of Sound zusammen, könnte dies Urheberrechte verletzen. Der High Court of Justice in London hat eine wegweisende Entscheidung zum urheberrechtlichen Schutz von Playlisten zu treffen.

Im Rechtsstreit um Urheberrechte an Playlisten hat das englische Musiklabel Ministry of Sound kürzlich den Musikstreamingdienst Spotify vor dem High Court of Justice in London verklagt. Als Herausgeber von Musik-Zusammenstellungen, sogenannten Compilations, sieht Ministry of Sound eigene Urheberrechte durch die von einzelnen Spotify-Nutzern zusammengestellten Playlisten, bei denen die Reihenfolge der Tonaufnahmen der auf den von Ministry of Sound vertriebenen Compilations entspricht, verletzt. Teilweise wird in der Bezeichnung der Playlisten auch ausdrücklich auf „Ministry of Sound“ hingewiesen. Das Londoner Gericht hat nun über den urheberrechtlichen Schutz von Playlisten zu entscheiden. Auch für den deutschen Rechtsraum könnte diese Entscheidung weitreichende Folgen haben.

Rechtslage in Großbritannien: Playlisten als „Sammelwerke“ oder als „Datenbanken“ einzuordnen

Unstreitig besteht an den Tonaufnahmen, für die Lizenzgebühren an die Rechteinhaber gezahlt werden, kein urheberrechtlicher Schutz zugunsten von Ministry of Sound. Gleichwohl wird dort die Auffassung vertreten, dass das Kompilieren aufgrund des Rechercheaufwands mehr als nur die Zusammenstellung einer Playliste sei und der Arbeit von Kuratoren gleichkäme; ein Kopieren sei jedenfalls nicht rechtens. Der Aufforderung, die betreffenden Playlisten zu löschen, sei Spotify nicht nachgekommen. Daher seien die nachgebildeten Playlisten unabhängig von deren Bezeichnungen zu verbieten und Spotify habe Schadensersatz zu leisten.

Denkbar wäre, dass das erkennende Gericht die Reihenfolge der Tonaufnahmen in Anlehnung an den Gedanken einer kuratorischen Leistung als Sammelwerk anerkennt. Eine Playliste könnte so im Sinne von 3 (1) (a) des Copyright, Designs and Patents Act 1988 als ein geschriebenes Werk, das eine Zusammenstellung beinhaltet, die nicht als Datenbank zu qualifizieren ist, urheberrechtlichen Schutz genießen. Jedenfalls muss sich das Gericht mit der Frage der geistigen Schöpfungshöhe auseinandersetzen. Die Tatsache, dass 2010 den Spielplänen der Englischen und Schottischen Fußball-Liga urheberrechtlicher Schutz zunächst zugestanden, dann jedoch in einem Berufungsverfahren im November 2012 wieder aberkannt wurde, könnte dabei relevant werden. Dort hatte zumindest das vorinstanzliche Gericht die Spielpläne als Datenbanken im Sinne der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken urheberrechtlichem Schutz unterstellt. Im Übrigen ergäben sich unter Umständen auch wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Hinblick auf den Competition Act 1998.

Rechtslage in Deutschland: Playlisten als „Sammelwerke“ zu qualifizieren
 
Auch im deutschen Rechtsraum bestünde urheberrechtlicher Schutz, wenn Playlisten als Sammelwerke zu qualifizieren wären. § 4 Abs. 1 UrhG definiert den Begriff des Sammelwerks als „Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind.“ Zu klären wäre somit die Frage, ob die Zusammenstellung der Musikwerke aufgrund ihrer Auswahl oder Anordnung die Schöpfungshöhe im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG erreicht. Es müsste sich ein geistiger Gehalt manifestieren, der über die bloße Summe der Inhalte der einzelnen Elemente hinausgeht. Entscheidend für die Wahrnehmung als Werk wäre der Gesamteindruck, das heißt der geistige Gehalt in seiner konkreten Form, wie er vom Betrachter wahrgenommen werden kann.

Offensichtlich schätzen die Spotify-Kunden die von Ministry of Sound zusammengestellte Auswahl von Tonaufnahmen und deren Reihenfolge derart, dass sie sie identisch nachbilden und in derselben Reihenfolge hören möchten. Dieses Nutzerverhalten spräche dafür, dass die Zusammenstellung von einer schöpferischen Individualität geprägt und mehr als nur die Summe der Inhalte der einzelnen Bestandteile ist.

Leistungsschutzrecht für Playlisten als „Datenbanken“  nach deutscher Rechtslage unwahrscheinlich


Sollte das erforderliche Schöpfungsniveau verneint werden, bliebe die Frage, ob Playlisten als Datenbanken ohne den nötigen Schöpfungscharakter unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 87 a UrhG ein Leistungsschutzrecht zukäme. Gegen die Datenbankeigenschaft der Playlisten könnte jedoch bereits sprechen, dass es an einer systematischen oder methodischen Anordnung fehlt. Systematisch bedeutete nämlich eine Ordnung nach vordefinierten logischen oder sachlichen Kriterien, methodisch eine planmäßige Strukturierung zur Verwirklichung eines bestimmten Zwecks. Dabei werden als typische Ordnungskriterien unter anderem eine alphabetische, numerische und chronologische Anordnung angesehen; eine bloße Aneinanderreihung ist nicht ausreichend. Bei der individuellen Zusammenstellung auf Recherchebasis ohne planvoll-strukturelle Ordnung dürfte hier keine dieser alternativen Voraussetzungen erfüllt sein.

Ebenfalls könnte der wettbewerbsrechtliche Schutz bei Hinzutreten besonderer, die Unlauterkeit (§ 3 UWG) begründender Umstände tangiert werden. Das könnten gegebenenfalls nach § 4 Nr. 9 a) und b) UWG insbesondere die vermeidbare Herkunftstäuschung und die unangemessene Rufausbeutung sein.

Obsiegen von Ministry of Sound würde Rechtsunsicherheit schaffen

Eine für Ministry of Sound positive Entscheidung würde keine Rechtssicherheit schaffen, sondern zöge weitere Fragestellungen nach sich: Müssten Streaming-Dienste ihre Playlisten-Funktion derart modifizieren, dass eine Nachbildung „geschützter Playlisten“ nicht mehr möglich wäre oder die Funktion gar entfernen? Könnte auch ein DJ urheberrechtlichen Schutz seines Livesets geltend machen? Könnten Radiosender urheberrechtlichen Schutz ihrer Zusammenstellungen beanspruchen? Wie viele Tonaufnahmen wären überhaupt für eine urheberrechtlich geschützte Playliste erforderlich?

Fazit: Weitreichende Folgen für deutschen Rechtsraum möglich


Zunächst bleibt die gerichtliche Entscheidung abzuwarten und zu beobachten, ob in Deutschland ein ähnliches Verfahren angestrengt wird. Welche Konsequenzen sich gegebenenfalls für den deutschen Rechtsraum und den (inter)nationalen Musikmarkt ergäben, lässt sich derzeit noch nicht hinreichend beurteilen. Denkbar wäre auch die Entstehung eines Schutzgefälles zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Jedenfalls könnten bei einer Entscheidung zugunsten von Ministry of Sound weitreichende Folgen zu erwarten sein.

Von: Rechtsanwalt Dr. Marc Fritzsche

Ansprechpartner

zu diesem Thema

Keine Ansprechpartner gefunden.

News filtern

Thema:

› Alle News anzeigen

News

19.10.2020

OLG Köln bestätigt Unterlassungsansprüche gegen Cloudflare

› Gesamten Artikel lesen

22.05.2019

Creative-Commons-Foto-Abmahnung: Rasch Rechtsanwälte setzen erfolgreich Gegenansprüche durch

› Gesamten Artikel lesen

09.05.2019

Amazon haftet für unlizenzierte Produktfotos

› Gesamten Artikel lesen

Google+