07.05.2015

Helene Fischer wehrt sich erfolgreich gegen die Vereinnahmung ihres Superhits „Atemlos“ für den NPD-Wahlkampf

Mit langem Atem zum Erfolg: Die Schlagersängerin kann das Abspielen ihres Superhits „Atemlos“ während einer öffentlichen Wahlkampfveranstaltung verbieten, da dies geeignet ist, ihr Ansehen zu gefährden. Dies hat nun das Oberlandesgericht Jena in seinem Berufungsurteil vom 18.03.2015 (Az.: 2 U 674/14) entschieden.

Die NPD hatte während ihres Landtagswahlkampfes in Thüringen im Sommer letzten Jahres u.a. Helene Fischers Superhit „Atemlos“ abspielen lassen. Die Schlagersängerin sah darin eine Verletzung ihrer Künstlerpersönlichkeitsrechte und zog gegen diese Vereinnahmung vor das Landgericht Erfurt (LG Erfurt), zunächst jedoch ohne Erfolg. Das LG Erfurt hatte anfänglich eine Unterlassungsverfügung erlassen, den Antrag jedoch auf den Widerspruch der NPD hin aufgrund fehlender Ruf- oder Ansehensgefährdung zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung (Urt. v. 05.09.2014, Az.: 3 O 1076/14) legte die Sängerin beim Oberlandesgericht  Jena (OLG Jena) Berufung ein und bekam nun Recht. Das OLG Jena stellte klar, dass § 75 UrhG, der den Künstler vor Entstellung oder anderen Beeinträchtigungen seiner Darbietungen schützt, nicht nur bei direkten, sondern auch bei indirekten Beeinträchtigungen anwendbar ist. Es reiche schon aus, wenn eine unveränderte Darbietung in einen für den Künstler nachteiligen Zusammengang gestellt wird, der sich für eine Ruf- oder Ansehensgefährdung eignet. „Gerade beim Persönlichkeitsrecht eines Sängers als ausübendem Künstler ist die Darbietung aber besonders eng mit der Person und damit mit Ruf und Ansehen des Interpreten  verbunden“, so das OLG Jena.

Die Entscheidungsgründe sind im Wesentlichen:

Mittelbare Beeinträchtigung  durch nachteiligen Zusammenhang

Eine mittelbare Beeinträchtigung liegt laut dem OLG Jena vor, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein unvoreingenommener Durchschnittsbeobachter bei der Wiedergabe des Songs einen Zusammenhang zwischen der Sängerin und der Veranstaltung annehmen könne. Für die Herstellung eines nachteiligen Zusammengangs sei es dabei nicht erforderlich, dass das Lied „einen Redebeitrag oder einen Aufzug untermale“. Wird ein Lied noch während der Wahlkampfveranstaltung in gewisser Weise als „Stimmungsmacher“ eingesetzt, der nicht nur ein neutrales Gefühl der Unterhaltung, sondern ein darüber hinaus gehendes, positives „Wir-Gefühl“ erzeugt, dann diene es unverkennbar dem Zweck der Veranstaltung.

„Atemlos“ wurde zwar nach der Rede des Landtagsvorsitzenden abgespielt, als dieser sich zu Einzelgesprächen zur Verfügung stellte.  Als bloßen „Pausenfüller“ bzw. „Geräuschkulisse“ - wie dies die NPD darzustellen versuchte - sah das Gericht den Erfolgshit jedoch nicht an und betonte dessen Anlockeffekt sowie Instrumentalisierung im Wahlkampf der NPD.

Die Eignung der Beeinträchtigung zur Ansehens- oder Rufgefährdung


Bei einer nur mittelbaren Beeinträchtigung wie hier sieht das Gericht den Künstler in voller Darlegungs- und Beweislast bezüglich seiner Ansehens- oder Rufgefährdung. Die Sängerin konnte in diesem Fall zur Überzeugung des Gerichts ihre Ansehensgefährdung glaubhaft machen. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein unvoreingenommener Durchschnittsbeobachter aufgrund der Wiedergabe ihres Songs auf der Wahlveranstaltung sie, die sich in der Öffentlichkeit stets bewusst unpolitisch gibt, mit der NPD assoziiert.

Diese mögliche Assoziation der Verbundenheit ließ das Gericht für eine Ansehensgefährdung genügen und verwies auf die  BGH-Rechtsprechung zur Produktwerbung (BGH GRUR 1979, 637 Nr. 16 – White Christmas). Wie dort gelte, dass ein Künstler den erkennbar bezweckten  Imagetransfer nicht hinnehmen muss, wenn durch seine Darbietung z.B. eine positive Stimmung auf ein Produkt bzw. wie hier auf eine Partei gelenkt werden soll. Eine besondere Eignung zur Ansehensgefährdung durch Werben einer politischen Partei sei gegeben, „weil gerade die politische Überzeugung ein Bereich sei, den zu offenbaren jedem Einzelnen selbst überlassen werden muss.“

Interessensabwägung zwischen dem Künstlerpersönlichkeitsrecht und den Gegeninteressen

Im Rahmen der umfassenden Interessensabwägung hielt das Gericht zu Gunsten der Verfügungsklägerin fest, dass ihre Persönlichkeitsrechte trotz ihrer großen Beliebtheit nicht kommerzialisiert seien. Die Intensität des Eingriffs sei schon erheblich, nicht zuletzt aufgrund des besonderen Öffentlichkeitsbezugs und der möglichen wirtschaftlichen Nachteile für die Sängerin.

Die NPD hingegen könne sich weder darauf zurückziehen, dass „Atemlos“ in engem Zusammenhang mit weiteren 15 Liedern abgespielt wurde, noch ein besonderes wirtschaftliches Verwertungsinteresse an diesem Song vorweisen. Die Verfügungsbeklagte  versuchte vergeblich damit zu argumentieren, dass § 78 Abs. 2 UrhG (öffentliche Wiedergabe) eine einschränkende Auslegung gebiete, da für die öffentliche Wiedergabe lediglich eine gesetzliche Lizenz vorgesehen sei. Ebenso wenig überzeugend fand das Gericht den Verweis der NPD auf die verfassungsrechtlichen Privilegien als Partei nach Art. 21 Abs. 1 GG, § 1 PartG. Die Gleichbehandlung und gleiche Wettbewerbschancen seien dort nicht durch eine staatliche Maßnahme beeinträchtigt, sondern lediglich durch zivilrechtliche Leistungsschutzrechte der Privatperson Helene Fischer. Das erwirkte Verbot hindere die NPD schließlich nicht an ihrer Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess bzw. am Wahlkampf. Außerdem werde hier entgegen der Ansicht der NPD nicht eine Meinungsäußerung nach Art. 5 I GG zu Wahlkampfwerbezwecken verwendet, sondern eine künstlerische Leistung eines Dritten. Das Lied „Atemlos“ stehe eben in keinem politischen Kontext, sondern diene alleine dazu, eine bestimmte Stimmung zu transportieren.

Fazit:

In Zukunft werden die Parteien mehr daran gehalten sein, im Vorfeld ihrer Wahlveranstaltungen bzw. Wahlkampagnen neben der Lizenzeinholung nach § 11 Urheberwahrnehmungsgesetz entsprechende Einwilligungen der Künstler in die Nutzung ihrer Lieder zu erfragen. Dies gilt nicht nur für die NPD, sondern auch für alle anderen Parteien. Schließlich kann auch die CDU ein Lied davon singen. Dem Unmut der  Toten Hosen, deren Song „Tage Wie Diese“ quasi als Siegeshymne der CDU nach ihrem Wahlsieg bei der Bundestagswahl vor laufenden Kameras gespielt wurde, entging die Kanzlerin mit einer persönlichen Entschuldigung bei Campino.

Von: Rechtsanwältin Anna Jacobson

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