02.05.2019

Haftung des Exklusivvertriebs für Produktmängel

Wer für mehrere Länder exklusiv bestimmte Verbraucherprodukte eines Herstellers vertreibt, haftet für Sicherheitsmängel deutlich schärfer als ein einfacher Händler, auch wenn er nicht EU-Importeur ist. Er muss über erheblich mehr Kenntnisse des Produkts verfügen. Auch wenn ein Mangel nicht offensichtlich und leicht zu erkennen ist, kann ihm zivilrechtlich ein Mangel als „Kennenmüssen“ zugerechnet werden, so das OLG Frankfurt.

Die beklagten Unternehmen (Beklagten) vertrieben Sektionaltore. Die Beklagte zu 2 war Herstellerin, die Beklagte zu 1) die Generalvertreter für diese Tore in drei EU-Ländern und der Schweiz. Die Beklagten wurden von einem Konkurrenzunternehmen wegen eines vermeintlich unsicheren Produkts abgemahnt. Die Klägerin machte geltend, das Garagentor verfüge über eine leicht zu demontierende Schutzvorrichtung, und machte aus dem so genannten Rechtsbruchtatbestand (§ 3a UWG) Unterlassungsansprüche geltend.

Die Unterlassungsklage der Klägerin war in erster und zweiter Instanz erfolgreich. Das OLG Frankfurt verpflichtete die beiden Unternehmen, den Vertrieb des beanstandeten Garagentors zu unterlassen und verbot ihnen die Verwendung der CE-Kennzeichnung hierfür. Auch der Antrag auf Zahlung von Abmahnkosten war erfolgreich.

Das OLG Frankfurt hielt dazu fest, dass die Beklagte zu 1) aufgrund ihrer Stellung als Generalvertreter, der ausschließlich Produkte eines Herstellers vertreibt, deutlich höhere Sorgfaltspflichten beim Vertrieb habe als ein einfacher Händler. Es verurteilte die Beklagten auch zur Tragung der Abmahnkosten.

Anmerkung

Das Verfahren betraf Produkte, die unter die Maschinenverordnung (9. Produktsicherheitsverordnung) fallen. Es hat aber Bedeutung für alle Verbraucherprodukte. Im Kern geht es um die Haftung der Händler nach § 6 Absatz 5 Produktsicherheitsgesetz. Das Gericht hat eine Kenntnis des Unternehmens von dem Sicherheitsmangel fingiert, obwohl der Mangel nicht einfach zu erkennen war, sondern im „Geflecht von Regelungen des ProdSG und entsprechenden Verordnungen sowie einschlägigen DIN-Normen angesiedelt“ war. Dennoch musste auch die Händlerin nach Ansicht des Gerichts wissen, dass das vertriebene Produkt unsicher war. Das folge daraus, dass das Unternehmen nach den Feststellungen Generalvertreter der Produkte in vier Ländern war und dort am Markt wie ein Hersteller auftrat. Daher habe es erheblich höhere Prüf- und Sorgfaltspflichten als ein „einfacher Händler“, der Produkte mehrere Hersteller vertreibt.

Die Entscheidung hat zum einen Folgen für das Verhalten abgemahnter Unternehmen im Wettbewerbsprozess. Aus einer vergleichbar hervorgehobenen Position am Markt resultiert in etwaigen Haftungs- und Wettbewerbsprozessen eine erweiterte Darlegungslast. Im konkreten Fall hätte das Unternehmen, so das Gericht, vortragen müssen, warum es „entgegen des (…) Anscheins“ keine Kenntnis der Einzelheiten des Tores haben konnte. Unternehmen sollten die Entscheidung auch zum Anlass nehmen zu überprüfen, ob sie ihre internen Abläufe anpassen müssen. Im Trend ist eine Verschärfung der Haftung auch für Händler, erkennbar auch aus der BGH-Entscheidung „Motivkontaktlinsen“, in der es um Produktkennzeichnung ging. Im vorliegenden Fall legt das Gericht an einen Händler aufgrund seiner Stellung als „faktischer Vertrieb“ einen vergleichbar hohen Maßstab an wie an den Hersteller oder den Erstinverkehrbringer.

Unternehmen in vergleichbarer Position haben verschiedene Möglichkeiten, um Risiken in solchen Bereichen zu verringern. Sie können die vertriebenen Produkte regelmäßig auf etwaige Sicherheitsmängel überprüfen (lassen), Überprüfungen und etwaige Beanstandungen gegenüber den Herstellern zu dokumentieren, regelmäßig beim Hersteller Informationen anfordern, ggf. dort den Nachweis solcher Überprüfungen durch unabhängige Dritte verlangen und/oder sich vertraglich über Freistellungsklauseln oder Vertragsstrafen entsprechend absichern.

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil 6 U 111/17 vom 29.11.2018 www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html

Von: RA Martin Bolm

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