13.06.2014

Filesharing: AG Leipzig verurteilt Rechtsanwalt wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen

Ein Rechtsanwalt muss wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen über 4.500,00 € zahlen, wie das Amtsgericht (AG) Leipzig am 03.06.2014 (Az.: 111 C 1011/13) entschieden hat. Gegenüber dem von Rasch Rechtsanwälte vertretenen Musiklabel gab er für seine Mandantin außergerichtlich keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die seiner Mandantin hierdurch entstandenen Verfahrenskosten wären vermeidbar gewesen.

In einem von Rasch Rechtsanwälte geführten Verfahren hat das AG Leipzig einen ehemaligen Rechtsanwalt wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen zur Zahlung von 4.583,32 EUR verurteilt (Urteil vom 03.06.2014, Az.: 111 C 10111/13). Der Rechtsanwalt hatte in einem Filesharing-Fall außergerichtlich zunächst für seine Mandantin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Im Verlauf der gerichtlichen Auseinandersetzung klärte er zudem seine Mandantin nicht ausreichend über Risiken bei der Einlegung von Rechtmitteln auf. Daraus sind seiner Mandantin vermeidbare Verfahrenskosten entstanden.

Die ehemalige Mandantin des beklagten Rechtsanwalts war im Jahr 2011 durch Rasch Rechtsanwälte im Namen führender Tonträgerhersteller wegen verschiedener über ihren Internetanschluss begangener Urheberrechtsverletzungen abgemahnt und zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen aufgefordert worden.

Unmittelbar nach Erhalt der Abmahnungen beauftragte die Anschlussinhaberin den nunmehr verurteilten Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen in diesen Angelegenheiten.

Der Rechtsanwalt entschied im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung der Anschlussinhaberin, keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und auch den Sachverhalt – obwohl ihm dieser bekannt war – nicht aufzuklären. Seine Tätigkeit beschränkte sich außergerichtlich auf die Zurückweisung der durch Rasch Rechtanwälte für die Rechteinhaberin geltend gemachten Ansprüche.

Rasch Rechtsanwälte erwirkte daraufhin vor dem Landgericht (LG) Leipzig (05 O 1843/11) eine einstweilige Verfügung gegen die Anschlussinhaberin. Hiergegen wandte sich der Rechtsanwalt für seine Mandantin durch einen Antrag auf Anordnung der Klagerhebung. Der von Rasch Rechtsanwälte der Anordnung folgend erhobenen Hauptsacheklage wurde durch Urteil des LG Leipzig vom 15.06.2012 (Az.: 05 O 1843/11) in vollem Umfang stattgegeben. Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen wurden von dem zum Tatzeitpunkt zwölfjährigen Sohn der Anschlussinhaberin begangen. Eine den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az.: I ZR 74/12 – „Morpheus“) genügende Belehrung des minderjährigen Täters über die rechtskonforme Nutzung des Internets hatte nicht stattgefunden, so dass die Anschlussinhaberin wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflichten haftete.

Vollmacht ersetzt keine Beratung über Risiken einer Berufung

Der nunmehr zur Zahlung verurteilte Rechtsanwalt der Beklagten legte – ohne mit seiner Mandantin hierüber Rücksprache zu halten - gegen dieses Urteil Berufung vor dem zuständigen Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Az.: 11 U 1160/11) ein. Die Berufung blieb jedoch erfolglos und wurde vom OLG Dresden im Beschlusswege zurückgewiesen.

Durch die Hauptsacheklage vor dem LG Leipzig und das Berufungsverfahren vor dem OLG Dresden sind der jeweils obsiegenden Rechteinhaberin Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 4.583,32 EUR entstanden. Schuldnerin dieser Kosten war zunächst die Beklagte, die jedoch nicht zur Begleichung der Summe in der Lage war.

Nach Auffassung von Rasch Rechtsanwälte waren dem Rechtsanwalt der Anschlussinhaberin im Rahmen der Mandatsbearbeitung schwerwiegende anwaltliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen, die zu einem Schadensersatzanspruch der Anschlussinhaberin jedenfalls in Höhe der Verfahrenskosten führten. Diesen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen ihren Anwalt haben Rasch Rechtsanwälte für die Rechteinhaberin gepfändet im Rahmen einer Drittschuldnerklage der Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts Leipzig zugeführt. Dieses hat sich nun vollumfänglich der Rechtsauffassung von Rasch Rechtsanwälte angeschlossen und den Rechtsanwalt der Beklagten zur Zahlung von 4.583,32 EUR verurteilt.

Rechtsanwalt muss den einfachsten und sichersten Weg wählen


Die Kosten der I. Instanz hätten vermieden werden können, wenn der gegenüber seiner Mandantschaft beratungs- und aufklärungspflichtige Rechtsanwalt den einfachsten und sichersten Weg gewählt hätte. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 09.01.1998, Az.: II ZB 11/88) hat das AG Leipzig ausgeführt, ein Rechtsanwalt müsse im Rahmen der Führung des Mandats für seinen Mandanten den sichersten Weg bestreiten und vorhersehbare Nachteile möglichst vermeiden.

Dieser Weg hat nach Auffassung des AG Leipzig vorliegend in der außergerichtlichen Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bestanden. Diese hätte gegebenenfalls ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben werden können und den von der Rechteinnhaberin verfolgten Unterlassungsanspruch entfallen lassen. Hierdurch hätte sowohl das einstweilige Verfügungsverfahren vor dem LG Leipzig, als auch das nachfolgende Hauptsacheverfahren vermieden werden können.

Nach Auffassung von Rasch Rechtsanwälte hätte die Abgabe einer solchen Unterlassungsverpflichtungserklärung  für die Anschlussinhaberin auch keine negativen Folgen bedeutet. Auch das AG Leipzig hat insofern klargestellt, dass die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bei der rechtlich möglichen Abgabe ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit keinerlei rechtlichen Nachteilen verbunden wäre.

Durch die in dem zugrundeliegenden Fall unterlassene dahingehende Beratung der Anschlussinhaberin und das Verstreichenlassen der Fristsetzungen der Rechteinhaberin ist es jedoch zu den Gerichtsverfahren gekommen, so dass nach zutreffender Ansicht des AG Leipzig sämtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens kausal durch die anwaltliche Pflichtverletzung entstanden sind.

Beratung über Rechtsmittel erforderlich

Der beklagte Rechtsanwalt hatte nach Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils des LG Leipzig zudem die Pflicht, die Anschlussinhaberin über den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten und über Kostenrisiken und Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens aufzuklären. All diese Pflichten, die der Beklagte im Rahmen des Mandatsverhältnisses verletzt hatte, sind nicht bereits durch die Erteilung einer Vollmacht zu Beginn des Mandatsverhältnisses erledigt. Hierauf hatten Rasch Rechtsanwälte prozessual hingewiesen. Das AG Leipzig hat klargestellt, dass die Unterzeichnung einer zugleich zur Einlegung von Rechtmitteln ermächtigenden Vollmacht durch die Anschlussinhaberin den Rechtsanwalt nach dem Abstraktionspinzip nicht von der der Wahrnehmung seiner vertraglichen Pflichten im Rahmen des einer solchen Vollmacht zugrundeliegenden Kausalgeschäfts, nämlich eines Geschäftsbesorgungsvertrages, entbindet. Die Einlegung von Rechtmitteln bedarf also einer gesonderten Beratung des ausführenden Rechtsanwaltes.
Der Mandantin des beklagten Rechtsanwaltes stand aufgrund dieser zahlreichen Pflichtverletzungen ein eigener Schadensersatzanspruch gegen ihren Rechtsanwalt zu. Der Schadensersatzanspruch, der die Verfahrenskosten der I. und II. Instanz umfasste, konnte von der Klägerin wirksam gepfändet und schließlich klageweise durchgesetzt werden.

Sorgfältige Abwägung rechtlicher Handlungsmöglichkeiten auch in urheberrechtlichen Angelegenheiten erforderlich


Rasch Rechtsanwälte beobachten im Rahmen der Bearbeitung von Abmahnungen regelmäßig einen wenig vertieften Umgang mit der Materie des Urheberrechts auf Seiten der Abgemahnten. Das Urteil des AG Leipzig zeigt jedoch auf, dass auch im Rahmen der Vertretung des Abgemahnten die allgemeinen Anforderungen an die sorgfältige, interessengerechte Mandatsbearbeitung gelten. Eine allzu sorglose Herangehensweise, sei diese fehlenden Kenntnissen des materiellen Urheberrechts oder aber der vielfach vertretenen Auffassung, es werde schon keine gerichtliche Durchsetzung der mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche erfolgen, geschuldet, kann erhebliche Kostenfolgen mit sich bringen und die Haftungsrisiken des beauftragten Rechtsanwaltes erhöhen. Das Urteil des AG Leipzig zeigt schließlich auf, dass die Konsequenzen strategischer Fehlentscheidungen oder unterlassener Beratung nicht in jedem Fall in der Risikosphäre des Mandanten liegen.

Von: Rechtsanwältin Claudia Kelting

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