18.04.2016

BGH – Entscheidungsgründe zur Haftung eines Bewertungsportal-Betreibers

In den Gründen zum „Jameda"-Urteil präzisiert der BGH erneut die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast - und legt Prüfpflichten eines Bewertungsportal-Betreibers fest. Wenig überraschend: Der BGH verpflichtet Portalbetreiber zu umfassenden Recherchen. Viele Aspekte aus diesem Urteil sind bereits aus anderen Entscheidungen bekannt. So hat der BGH schon im Urteil I ZR 169/12 - „Bearshare“ Internet-Anschlussinhaber zu Nachforschungen verpflichtet.

Im konkreten Fall sah sich ein Zahnarzt bei dem Ärzte-Bewertungsportal Jameda mit einer negativen Bewertung konfrontiert. Ein anonymer Verfasser hatte ihm die Gesamtschulnote „4,8“ gegeben, wobei er ihn in einzelnen Kategorien wie Behandlung, Aufklärung und Vertrauensverhältnis jeweils mit der Note „6“ bewertet hatte. Der Zahnarzt bestritt gegenüber Jameda, den Verfasser tatsächlich behandelt zu haben. Jameda löschte die Bewertung zunächst, stellte sie dann aber nach einer Prüfung wieder online. Der Zahnarzt ging daraufhin gerichtlich gegen den Portalbetreiber vor.

Problemstellung und Entscheidungsgründe

Der BGH hat das abweisende Urteil des OLG Köln aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung dorthin zurück verwiesen. Nachdem der BGH eine Haftung der dortigen Beklagten als unmittelbare Störerin (Stichwort: „zu Eigen machen“) ausgeschlossen hat, hat er seinen Blick auf die mittelbare Störerhaftung gerichtet und dem Portalbetreiber strenge Prüfungspflichten auferlegt.

Die Verantwortlichkeit als mittelbarer Störer setze laut BGH grundsätzlich erst ein, wenn der Portalbetreiber Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Eine Rechtsverletzung ließe sich jedoch allein auf der Grundlage einer Beanstandung durch den Betroffenen nicht ohne Weiteres feststellen. Denn der Feststellung einer Rechtsverletzung gehe stets eine Abwägung zwischen der dem Recht des Betroffenen, hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, und dem Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit nach Art. 5, Abs. 1 GG voraus.

Aus dieser Problemstellung heraus formuliert der BGH nachfolgende Voraussetzungen:

1.    Eine Beanstandung des Betroffenen müsse so konkret gefasst sein, dass eine Rechtsverletzung unschwer zu bejahen wäre. Der dort betroffene Portalbetreiber war demnach zunächst gehalten zu prüfen, ob auf der Grundlage der Behauptung des Klägers, es bestünde kein Behandlungskontakt, eine Rechtsverletzung vorliegen würde.Der BGH unterzog die Beurteilung, ob die angegriffenen Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen sei, einer uneingeschränkten Revision und kam zum Ergebnis, dass die Bewertung zwar als eine Meinungsäußerung zu qualifizieren sei, wie sich dies u.a. in der notenmäßigen Bewertung äußere. Der tatsächliche Bestandteil, auf dem die Bewertung beruht, sei jedoch unwahr, wenn der behauptete Behandlungskontakt tatsächlich nicht bestand. In diesem Fall gäbe es schlicht kein berechtigtes Interesse, das dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorgehen würde: Es bestünde kein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten. Ebenso wenig sei das Interesse des Bewertungsportals ersichtlich, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren. Der Portalbetreiber wäre verpflichtet, so eine Bewertung zu löschen.

2.    Da unter den vorbenannten Umständen die angegriffene Bewertung rechtswidrig wäre, seien bei der Beklagten entsprechende Prüfungspflichten ausgelöst worden. Zu welchen konkreten Überprüfungsmaßnahmen des Hostprovider verpflichtet ist, bestimme sich stets nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich seien jedoch grundsätzlich die Schwere der angezeigten Rechtsverletzung sowie die Erkenntnismöglichkeiten des Providers.   

Der Betrieb eines Ärzte-Bewertungsportals birgt ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen

In dem konkreten Fall hat der BGH die Anforderungen an die Prüfungspflicht des Bewertungsportals streng gefasst: Der Betrieb eines Ärztebewertungsportals trage schon ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Zudem sei durch die Möglichkeit, eine anonyme oder pseudonyme Bewertung abzugeben, die Missbrauchsgefahr noch höher. Im Gegenzug sei die Bewertung geeignet, die Chancen des Klägers im Wettbewerb nachhaltig zu beinträchtigen. Deshalb müsse die vom Portalbetreiber durchzuführende Überprüfung – gewissenhaft und ernsthaft - mit dem Ziel erfolgen, die Berechtigung der Beanstandung zu klären. Es genüge daher nicht, wie hier den Bewertenden rein pro forma in einer E-Mail zu bitten, „die Behandlung in mindestens zwei Sätze zu beschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen“. Außerdem hätte die Beklagte dem Kläger diejenigen Informationen und Unterlagen weiterleiten müssen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage wäre.

Hinweis des BGH auf die Recherchepflicht eines Hostproviders

Bei der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (Oberlandesgericht Köln, Az.: 15 U 141/14) hat der BGH den Richtern einen konkreten Hinweis zur Darlegungs- und Beweislast mit auf den Weg gegeben:  Zwar sei der Kläger darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein Behandlungskontakt tatsächlich nicht stattgefunden hat. Da ihm die Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung, insb. bei anonymen Bewertungen jedoch fehle, treffe den Portalbetreiber wiederum eine sekundäre Darlegungslast. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die in der „Bearshare“-Entscheidung (Az.: I ZR 169/12) aufgestellten Grundsätze zur Nachforschungspflicht unterstrich der BGH in diesem Fall eine umfassende Recherchepflicht des Bewertungsportalbetreibers. Diese sei ihm schon aufgrund der materiellen Prüfpflicht zumutbar. Komme der Bewertungsportalbetreiber dieser Pflicht nicht nach, gelte die Behauptung des Klägers, der von ihm angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Im Übrigen kollidiert nach Ansicht des BGH der Unterlassungsanspruch des Betroffenen weder mit den besonderen Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) noch mit der der Europäischen E-Commerce-Richtlichtlinie 2000/31/EG (ECRL). Der Anspruch ziele nicht auf das Haftungsprivileg des § 10 TMG und begründe auch keine allgemeine Überwachungspflicht im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG. Außerdem ließe Art. 14, Abs. 3 ECRL die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht nach dem Rechtssystem des jeweiligen Mitgliedstaates vom Diensteanbieter verlangt, eine Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern.

Fazit

Aufgrund strenger Prüfungspflichten (vgl. sog. Stellungnahmeverfahren in BGH Urt. v. 25.11.2011, Az.: VI ZR 93/10) sind Bewertungsportale daran gehalten, auch bei rein wertenden Äußerungen genauer hinzuschauen. Eine halbherzige Überprüfung oder gar ein pauschaler Hinweis auf die Meinungs- und Medienfreiheit wird in vielen Fällen nicht genügen, insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte für eine sog. Fake-Bewertung vorliegen. Ein weiterer Knackpunkt wird die Weiterleitung der Angaben und der Belege des Verfassers sein, die nur unter Einhaltung des § 12 TMG erfolgen darf.

BGH, Urteil VI ZR 34/15 vom 01.03.2016

Von: RAin Anna Jacobson

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