18.06.2013

BGH Beschluss I ZR 46/12 „Die Realität“ – Gründe liegen vor

Wer ein fremdes Werk als integralen Bestandteil seiner eigenen Website im Wege des Framing einbindet und es sich auf diese Weise zu eigen macht, nimmt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 II 2 UrhG vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Werk auf der ursprünglichen Website mit Zustimmung des Urhebers zugänglich gemacht wird, oder ob der „Framesetzer“ in Erwerbsabsicht handelt.

Das geht aus dem Vorlagebeschluss des BGH I ZR 46/12 vom 16.05.2013 hervor.  Wie bereits berichtet, hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob das Framing eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Info-Richtlinie 2001/29/EG ist, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der BGH ist der Ansicht, dass das Einbinden fremder Inhalte in einen Rahmen auf einer eigenen Website, wobei deren URL nicht sichtbar ist (sog. Framing) keine Nutzungshandlung im Sinne des § 19a UrhG darstellt, sondern eine unbenannte Form der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 II 2 UrhG. Das ergebe sich aus richtlinienkonformer Auslegung des § 15 II UrhG vor dem Hintergrund der Info-Richtlinie.

Zwar scheide eine direkte Anwendung des § 19a UrhG auf Framing aus, weil das „geframte“ Werk sich nicht in der Zugriffssphäre des „Framenden“ befinde. Denn dieser erwecke nur den – tatsächlich unzutreffenden – Eindruck, er halte selbst das Werk zum Abruf bereit. Der Tatbestand einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung werde aber allein durch die Vornahme der Nutzungshandlung erfüllt und nicht bereits dadurch, dass deren Merkmale vorgetäuscht würden.

Das Framing könne jedoch einen Eingriff in ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe darstellen. Der Katalog des § 15 II UrhG, der beispielhaft einzelne Formen der öffentlichen Wiedergabe nennt, sei nicht abschließend, sondern nenne nur beispielhaft Unterformen der öffentlichen Wiedergabe. Der BGH bejaht einen Eingriff in ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe, denn drei von vier Merkmalen einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 3 I der Info-Richtlinie 2001/29/EG seien erfüllt. Diese Merkmale sind:

(1) Der Nutzer muss absichtlich und gezielt tätig werden und ein aufnahmebereites Publikum vorfinden;

(2) Es muss eine Öffentlichkeit in Form einer unbestimmten „ziemlich großen“ Zahl potentieller Adressaten vorliegen, die nicht bloß einer privaten Gruppe angehören;

(3) Ggf. setzt eine öffentliche Wiedergabe auch voraus, dass das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; dieses Merkmal ist entbehrlich, wenn die Wiedergabe – anders als die ursprüngliche Wiedergabe - nach einem unterschiedlichen spezifischen technischen Verfahren erfolgt;

(4) Beachtlich kann auch sein, ob die Wiedergabe Erwerbszwecken dient.

Der BGH bejaht die Merkmale (1), (2) und (4), verneint aber das Merkmal (3) – Wiedergabe für ein neues Publikum. Denn der Film sei bereits durch das Einstellen auf der Videoplattform Youtube für alle Internetnutzer öffentlich zugänglich gemacht worden, und dieser Adressatenkreis werde durch das Framing auf der eigenen Internetseite der Beklagten nicht erweitert. Auch sei das technische Verfahren dasselbe, wie wenn der Endnutzer das Werk direkt bei Youtube abrufe. Daraus ergibt sich die Vorlagefrage des BGH.

Anschließend stellt der BGH anhand eines kurzen Vergleichs von Linking, Deep Linking und Framing klar, aus welchen Gründen er das Framing anders behandelt als ein bloßes Verlinken auf eine fremde Website. Wer einen Link setze, erleichtere Nutzern nur den bereits eröffneten Zugang. Wer dagegen einen „Deep-Link“ auf eine zugangsbeschränkte Seite setze und eine technische Schutzvorrichtung (z.B. eine erforderliche Registrierung) umgehe, eröffne einer neuen Gruppe von Nutzern erst den Zugang zu dem dortigen Werk. Wer ein Werk per Framing zum integralen Bestandteil seiner eigenen Website mache, gehe schließlich über eine (einfache) Verlinkung hinaus, denn er mache sich das fremde Werk durch Einbettung in seine eigene Website zu eigen und erspare sich die Bereithaltung des fremden Werks, für die er sonst eine Zustimmung einholen müsse.

Das Sich-zu-eigen-machen stellt hiernach das maßgebliche Unterscheidungskriterium zwischen einem nicht zustimmungspflichtigen Link und einem zustimmungspflichtigen Framing dar. Indem der BGH sich ausdrücklich auf die Entscheidung „Session ID“ Bezug nimmt, bekräftigt er seine dortige Wertung zum Setzen von Deep-Links unter Umgehung technischer Schutzvorkehrungen.

Von: Martin Bolm

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