07.02.2013

Anmerkung zu: LG Frankfurt/M., Beschluss vom 04.10.2012, Az.: 2-03 O 152/12

Die von einem Inhaber eines Internetanschlusses falsch übermittelten personenbezogenen Vertragsdaten an einen Provider können zu erheblichen Mehrkosten führen. In dem Rechtsstreit um eine Urheberrechtsverletzung über sogenannte Filesharing-Systeme hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main mit Beschluss vom 04.10.2012 (Az.: 2-03 O 152/12) den Antrag eines Anschlussinhabers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weitgehend zurückgewiesen.

Dieser in einem Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Entscheidung des Landgerichts LG Frankfurt am Main vom 04.10.2012 (Az.: 2-03 O 152/12) lag ein außergewöhnlicher Sachverhalt zugrunde, in dem der wegen einer Urheberrechtsverletzung ermittelte Anschlussinhaber einen Internetanschluss unter einem falschen (Vor-) Namen eingerichtet hatte und so über Jahre nutze. Erst im Laufe einer Umfirmierung seines Providers wurde diese Falschbezeichnung entdeckt und der ursprünglich falsche Name auf seinen richtigen Namen geändert, was sich jedoch nicht beim Netzbetreiber seines Providers (der ist nur ein sog. Reseller bzw. Subprovider) niederschlug – mit folgenden Konsequenzen:

Ermittlungen eines führenden Online-Ermittlungsdienstleisters ergaben, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten IP-Adresse ein Musikalbum, an welchem die Klägerin des oben genannten Hauptsacheverfahrens vor dem LG Frankfurt am Main die Nutzungsrechte hält, widerrechtlich über ein Filesharingsystem öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Nach einem Auskunftsverfahren gem. § 101 Abs. 9 UrhG holte die Klägerin eine Providerauskunft bei dem die IP-Adresse vergebenden Netzbetreiber ein. Diese Auskunft lautete auf den Namen des (minderjährigen) Sohnes des Beklagten, was der Klägerin jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war. Der Sohn des Beklagten wurde von der Klägerin wegen der über vermeintlich seinen Internetanschluss begangenen Schutzrechtsverletzung abgemahnt.

Durch die außergerichtliche Korrespondenz stellte sich – für die Klägerin erstmalig erkennbar – heraus, dass es sich tatsächlich um einen Minderjährigen handelte, der nicht Vertragspartner des Resellers/Subproviders war, woraufhin die Klägerin eine erweiterte Auskunft bei dem Reseller einholte. Diese lautete nun auf den Namen des Beklagten, welcher dann abgemahnt wurde. Die Abmahnung gegen den Minderjährigen wurde zurückgenommen.

Da der Beklagte trotz wiederholter Aufforderungen keine Unterlassungserklärung abgab, wurde eine einstweilige Verfügung beim LG Frankfurt am Main beantragt, unter Vortrag sämtlicher der Klägerin bis dato bekannter tatsächlicher Umstände, zuzüglich einer weiteren über den Internetanschluss des Beklagten verursachten Rechtsverletzung. Die einstweilige Verfügung wurde antragsgemäß erlassen (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 31.8.2011, Az.: 2-03 O 394/11).

Auf den Widerspruch des Beklagten, der sich zu den tatsächlichen Umständen, insbesondere zum Zustandekommen der verschiedenen Namensbenennungen beim Netzbetreiber und Reseller gerade nicht äußerte, vielmehr seine Verteidigung ausschließlich darauf stützte, dass ein Ermittlungsfehler vorliegen müsse, wurde die einstweilige Verfügung vom 31.8.2011 nach mündlicher Verhandlung aufgehoben (Urteil vom 9.2.1012, 2-03 O 394/11). Das Gericht hatte den Widerspruch in den beiden Providerauskünften beim Netzbetreiber und beim Reseller, welcher ausschließlich durch die unterschiedlichen Vornamen verursacht war,  als nicht aufgeklärt empfunden und die Glaubhaftmachungen der Verfügungsklägerin (Klägerin) bezüglich des Anschlussinhabers als nicht hinreichend erfüllt angesehen; dies, obwohl die Klägerin mehrfach auf die sich aus § 138 Abs. 1 ZPO sowie aufgrund der sekundären Darlegungslast des Beklagten ergebenden Verpflichtung zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrag insbesondere zum Zustandekommen der verschiedenen Namensnennungen beim Netzbetreiber und beim Reseller hingewiesen hatte.

Erst nach Ablauf der Berufungsfrist für das einstweilige Verfügungsverfahren konnte die Klägerin beim Reseller ermitteln, was der Beklagte bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren hätte offenbaren müssen, nämlich dass der Vertrag zunächst auf den Namen des (minderjährigen) Sohnes des Beklagten gelautet hat und die Vertragsdaten erst nach mehreren Jahren aufgrund einer Revision gelegentlich einer Firmenübernahme des Resellers auf den tatsächlichen Namen des Beklagten richtig gestellt wurden. Der Beklagte hatte sogar vorher unter dem Namen seines damals erst fünfjährigen Sohnes per E-Mail mit dem Reseller kommuniziert und auf dessen Namen lautende Rechnungen unkommentiert beglichen. Dieses unlautere Verhalten lässt sich bis heute nicht anders erklären, als dass der Beklagte schon damals erhebliche Zahlungsschwierigkeiten hatte und er unter seinem richtigen Namen offenbar keinen Internetvertrag mit dem Reseller erhalten hätte.

Daher verfolgte die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch nunmehr in der Hauptsache weiter und verlangte vom Beklagten neben den Kosten der Abmahnung auch Schadensersatz bezüglich der Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Prozessbetrugs. Sie war der Auffassung, dass es der Verfügungsbeklagte vorsätzlich unterlassen hatte, seiner gemäß § 138 Abs. 1 ZPO sowie aufgrund der sekundären Darlegungslast obliegenden Verpflichtung zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrag insbesondere zum Zustandekommen der verschiedenen Namensnennungen beim Netzbetreiber und beim Reseller im einstweiligen Verfügungsverfahren nachzukommen, dies, obwohl diese Vorgänge von ihm selbst verursacht und ausschließlich in seiner Sphäre stattgefunden hatten, um damit der Klägerin die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens „anzuhängen“.

Die dritte Zivilkammer des mit der Sache befassten LG Frankfurt am Main hatte in dem hier besprochenen, unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss im Prozesskostenhilfeverfahren noch die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten Prozesskostenhilfe zumindest hinsichtlich des begehrten Schadensersatzes wegen Prozessbetrugs zu gewähren sei, da der Beklagte im Rahmen des § 138 ZPO nicht habe Tatsachen vortragen müssen, die ihn möglicherweise selbst im Hinblick auf eine Urheberrechtsverletzung nach § 106 UrhG belastet hätten. Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden, da der Beklagte mit der Aufklärung des Zustandekommens der verschiedenen Namensbenennungen beim Netzbetreiber und Reseller lediglich seine durchgängige Anschlussinhaberschaft offen gelegt hätte. Entgegen der Ansicht des LG Frankfurt am Main hätte er sich nicht selbst der Urheberrechtsverletzung bezichtigen müssen. Er wäre damit bei Erfüllung seiner prozessualen Wahrheitspflicht gerade nicht gezwungen gewesen, eine ihm zur Unehre gereichende Tatsache oder eine von ihm begangene strafbare Handlung zu offenbaren, sondern lediglich seine – gleichwohl dreiste – Vortäuschung eines falschen Namens bzw. Vertragspartners.

In der dem PKH-Beschluss zeitlich nachfolgenden mündlichen Verhandlung zur Hauptsache gab der Beklagte auf dringendes Anraten des Gerichts, welches den Unterlassungsanspruch nunmehr für schlüssig vorgetragen und eine Verteidigung des Beklagten für aussichtslos erachtete, eine umfassende Unterlassungserklärung ab, was einem Anerkenntnis gleich kommt.

Hinsichtlich der übrigen Zahlungsansprüche wurde auch verhandelt. Diesbezüglich ist erwähnenswert, dass die im letzten Absatz des Beschlusses des LG Frankfurt am Main behandelten Kosten der Abmahnung hinsichtlich der Abmahnung gegen den Beklagten begehrt wurden und nicht – wie vom Gericht dort fälschlicherweise angenommen – hinsichtlich der Abmahnung gegen den minderjährigen Sohn des Beklagten. Auf diesen Umstand wies die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich hin, so dass auch dieses Klagbegehren begründet war.

Aufgrund der erheblichen Zahlungsschwierigkeiten des Beklagten – er hatte in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt und war insofern „vollstreckungsfest“ – wurde noch in der Güteverhandlung ein Vergleich geschlossen. Der Vergleich beinhaltete nicht nur die Unterlassungserklärung, sondern auch die Zahlung eines vierstelligen Betrags in Raten sowie den Verzicht des Beklagten bzw. seiner Prozessbevollmächtigten auf die Geltendmachung der Kosten des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Entscheidung im Volltext:

Von: Werner Jansen

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