27.11.2014

"Afghanistan-Leak" der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) verstößt gegen Urheberrechte

Auch militärische Lageberichte können nach Ansicht des Landgerichts (LG) Köln Urheberrechtsschutz genießen. Die 14. Zivilkammer hat der WAZ auf dieser Grundlage verboten, Berichte des Bundeswehr über den Auslandseinsatz in Afghanistan auf ihrer Website zu veröffentlichen (Az. 14 O 333/13).

Die Hintergründe

Die Bundesregierung ist gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (ParlG) dazu verpflichtet, den Bundestag regelmäßig über den Verlauf der Einsätze und über die Entwicklung im jeweiligen Einsatzgebiet zu informieren. Gemäß dieser Verpflichtung lässt das Verteidigungsministerium wöchentlich entsprechende Berichte erstellen. Die sogenannte "Unterrichtung des Parlaments" (UdP) ist als Verschlussache eingestuft und wird lediglich an ausgewählte Abgeordnete des Bundestages und bestimmte Ministerien versandt.

Im November 2012 veröffentlichte die WAZ unter afghanistan.derwesten-recherche.org eine erhebliche Anzahl der UdPs aus den Jahren 2005 bis 2012. Wie die Mediengruppe in den Besitz der Lageberichte kam, ist nicht bekannt.

Das Bundesministerium der Verteidigung wandte sich gegen diese Veröffentlichung. Sie stelle einen unzulässigen Eingriff in die Urheberrechte des Ministeriums dar, das gemäß § 12 Urhebergesetz (UrhG) befugt sei, selbst darüber zu entscheiden, ob und wie die UdPs veröffentlicht werden.

LG Köln: Militärische Lageberichte sind urheberrechtlich geschützt

Das LG Köln folgte nun der Argumentation des Bundesministeriums. Es stellte fest, dass militärische Lagepläne, wie sie die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsministerium als “Unterrichtung des Parlaments” vorlegt, als Sprachwerke gemäß § 2 Abs.1 Nr.1, Abs. 2 UrhG geschützt seien und sprach dem Ministerium einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch zu. Zwar scheide ein Schutz der inhaltlichen Informationen aus, da in den UdPs lediglich Fakten und tatsächliche Gegebenheiten wiedergegeben werden. Die Schutzfähigkeit ergebe sich aber aus der konkreten Darstellungsform der Texte, die aufgrund eines bestimmten Aufbaus und einer systematisierten Aufbereitung eine hinreichende geistige Schöpfungshöhe aufweise.

Der Urheberrechtsschutz sei auch nicht gemäß § 5 UrhG ausgeschlossen, da UdPs nach Ansicht der Kammer keine amtlichen Werke im Sinne dieser Vorschrift darstellten. Sie würden weder unter die in Absatz 1 abschließend aufgezählten Typen amtlicher Dokumente fallen, noch liege es im amtlichen Interesse, UdPs - die ausdrücklich nur für den Dienstgebrauch bestimmt sind - allgemein zugänglich zu machen.

WAZ kann sich nicht  auf Pressefreiheit berufen

Nach Ansicht der 14. Zivilkammer ist der Eingriff in die Urheberrechte des Verteidigungsministeriums auch rechtswidrig. Die WAZ könne sich insbesondere nicht auf die in Art. 5 Abs. 1 GG festgeschriebene Pressefreiheit berufen. Da nur streitgegenständlich sei, ob die konkreten Dokumente ins Internet gestellt werden dürfen, aber eben nicht, ob über UdPs berichtet werden darf, diese zitiert oder inhaltlich wiedergegeben dürfen, sei der Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit nämlich gar nicht berührt.

Eine Abwägung der verschiedenen Grundrechtspositionen komme im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, da das UrhG unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich verbrieften Interessen der Nutzerseite für die aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse und ihre Beschränkungen grundsätzlich eine abschließende Regelung treffe. Es seien mithin allein die Schrankenregelungen des UrhG zu berücksichtigen, die vorliegend indes nicht einschlägig seien: ein komplett wiedergegebenes Dokument könne nicht mehr als Zitat im Sinne von § 51 UrhG angesehen werden. Im Übrigen fehle es an eigenen referierenden Ausführungen bzw. einer journalistischen Auseinandersetzung mit den einzelnen Inhalten der jeweiligen UdPs, so dass die Veröffentlichung auch nicht als "Berichterstattung über Tagesereignisse" gemäß § 50 UrhG qualifiziert werden könne.

Gebotene Interessenabwägung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Eine andere Beurteilung ergebe sich schließlich auch nicht unter der gebotenen Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK. Da der angestrebte Zweck (nämlich die Information der Öffentlichkeit über angebliche Diskrepanzen zwischen der öffentlichen Darstellung der Auslandseinsätze des Bundeswehr und der tatsächlichen Geschehnisse vor Ort) auch ohne vollständige Bereitstellung der Berichte im Internet hätte erreicht werden können, sei die vollständige Widergabe auf der Internetseite der WAZ nicht durch das Recht der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK gerechtfertigt.

Von: Katharina Voigtland, LL.M.

Ansprechpartner

zu diesem Thema

Keine Ansprechpartner gefunden.

News filtern

Thema:

› Alle News anzeigen

News

19.10.2020

OLG Köln bestätigt Unterlassungsansprüche gegen Cloudflare

› Gesamten Artikel lesen

22.05.2019

Creative-Commons-Foto-Abmahnung: Rasch Rechtsanwälte setzen erfolgreich Gegenansprüche durch

› Gesamten Artikel lesen

09.05.2019

Amazon haftet für unlizenzierte Produktfotos

› Gesamten Artikel lesen

Google+