26.06.2014

Aereo: US Supreme Court erklärt Dienst für rechtswidrig

Der us-amerikanische Dienst Aereo verletzt mit seinem Internet-Video-Recorder das Verbreitungsrecht der Fernsehsender. Das oberste Gericht der USA, der Supreme Court, hat am 25.06.2014 den Dienst für rechtswidrig erklärt. Für andere Cloud-Dienste dürfte sich diese Entscheidung nicht negativ auswirken. Eine erste Einschätzung zur Rechtslage in Deutschland.

Der Dienst Aereo stellt seinen Kunden eine Art Online-Video-Recorder zur Verfügung. In einem mit Spannung erwarteten Urteil hat das oberste Gericht der USA am 25.06.2014 den Dienst für rechtswidrig erklärt. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob die Kunden von Aereo „Privatkopien“ herstellen, die sie anschließend über das Internet abrufen können, oder ob Aereo die aufgenommen Sendungen öffentlich wiedergibt. Der Supreme Court folgte nun mit 6 zu 3 Stimmen der letztgenannten Auffassung, was bedeutet, dass Aereo Lizenzen für die aufgezeichneten und „gesendeten“ Inhalte einholen müsste, was bislang nicht geschehen ist.

Technischer Hintergrund: „Internet-Video-Recorder“


In den USA gibt es – wie in Deutschland – mehrere Möglichkeiten, Fernsehen zu empfangen: via Satellit, via Kabel oder über terrestrische Antennensignale. Kabelanschlüsse sind dabei – wie hierzulande – kostenpflichtig und die Kabelanbieter zahlen den Rechteinhabern bzw. Verwertungsgesellschaften Lizenzen für die gesendeten Inhalte. Aereo hat versucht, mit einer umstrittenen Auslegung des Gesetzes eine vierte Möglichkeit einzuführen und ist nun vor dem obersten Gericht der USA damit gescheitert. Der Dienst bot Kunden die Möglichkeit, terrestrische Antennensignale aufzuzeichnen und die Inhalte auf Servern („in der Cloud“) zu speichern. Die gesamte hierzu verwendete Technik stand in großen Lagerhallen, die Aereo hierzu eingerichtet hatte und wurde von den Kunden gemietet. Die aufgezeichneten Sendungen konnten anschließend über das Internet auf PCs, Tablets oder anderen internetfähigen Geräten angesehen werden. Dabei warb der Dienst mit „live TV“, die aufgezeichneten Inhalte standen schon wenige Sekunden nach ihrer Speicherung und Umwandlung zum Abruf zur Verfügung.

Internet-Videorecorder – eine rechtliche Grauzone?

Im Gegensatz zu den herkömmlichen Kabelanbietern, die bis zu 60 US-Dollar pro Monat kosten, verlangte Aereo von seinen Kunden lediglich 8-12 USD pro Monat. Dieses Preisdumping war Aereo möglich, weil der Dienst keinerlei Lizenzen an die Sender bezahlte. Begründet hat Aereo die (angeblich) fehlende Notwendigkeit der Lizenzierung damit, dass die Kunden jeder für sich eigene Kopien der Sendungen herstellen würden, was im deutschen Recht der Privatkopie (§ 53 UrhG) entspräche. Es fände auch keine Wiedergabe dieser Inhalte an die Öffentlichkeit statt, weil jeder Nutzer nur Zugriff auf die von ihm aufgezeichneten Sendungen erhielte.

Rechtslage in Deutschland


Auch in Deutschland mussten sich die Gerichte mit ähnlichen Fragestellungen befassen. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits wiederholt zu den Diensten „save.tv“ und „shift.tv“ zu entscheiden (vgl. Urteile 22.04.2009, Az. I ZR 175/07 sowie vom 11.04.2013, Az. I ZR 152/11, I ZR 153/11 und I ZR 151/11). Im Rahmen dieser Entscheidungen hat der BGH zwar entschieden, dass die von den Nutzern hergestellten, individuellen Kopien der Sendungen tatsächlich privilegierte Vervielfältigungen im Sinne des § 53 UrhG – und damit „Privatkopien“ – sind. Auch kam das Gericht zu dem Schluss, die Dienste machten die Kopien nicht „öffentlich zugänglich“ im Sinne des § 19a UrhG, da jeder Kunde nur Zugriff auf „seine“ Kopien erhalte und somit keine Öffentlichkeit vorliege.

Allerdings ist der BGH zu dem Schluss gekommen, die beiden Dienste verletzten das ausschließliche Recht der klagenden Fernsehsender gem. § 87 Abs. 1 S. 1 UrhG, seine Funksendungen weiterzusenden und öffentlich zugänglich zu machen („Weitersenderecht“). Hierzu hielt der BGH fest:

„Die Beklagte zu 1 empfängt die Sendesignale der Funksendungen mit Satelliten-Antennen und leitet sie zeitgleich an Online-Videorecorder weiter, die dem Bereich der Kunden als Hersteller der vollautomatischen Aufzeichnung zuzuordnen sind. Da sie ihren Kunden mit den „Persönlichen Videorecordern“ darüber hinaus auch die Empfangsvorrichtungen zur Verfügung stellt, ist ihre Tätigkeit in ihrer Bedeutung als Werknutzung den anderen vom Gesetz dem Urheber vorbehaltenen Werknutzungen durch öffentliche Wiedergabe vergleichbar.“

Im Ergebnis stellte der BGH fest, dass den Klägern eine Lizenz für die Nutzung ihrer ausschließlichen Rechte zusteht. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden wurde durch den BGH aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen.

Entscheidung in den USA

Ganz ähnlich hat nun das oberste Gericht der USA entschieden. Der Dienst „Aereo“ verletze das „public performance right“ der Kläger, also das Senderecht. Aereo biete eine Dienstleistung an, die im Ergebnis dazu führte, dass Sendungen der Kläger der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Es komme dann nicht darauf an, ob die Quelle dieser „Weitersendung“ einzelne Kopien der Sendungen oder eine einzige Kopie sei:

“We do not see how the fact that Aereo transmits via personal copies of programs could make a difference. The Act applies to transmissions “by means of any device or process.” . . . And retransmitting a television program using user-specific copies is a “process” of transmitting a performance. . . . So whether Aereo transmits from the same or separate copies, it performs the same work . . . . Therefore, when Aereo streams the same television program to multiple subscribers, it “transmit[s] … a performance” to all of them.”

Das Aus aller Cloud-Dienste?

Im Vorfeld der Entscheidung und vor allem im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte Aereo davor gewarnt, den Dienst für rechtswidrig zu erklären. Eine solche Entscheidung sei innovationsfeindlich und bedeute letztlich unübersehbare Risiken für alle „Cloud“-Technologien, wie z.B. DropBox. Der Supreme Court sieht diese Gefahr jedoch nicht und urteilte gegen Aereo. In seiner Begründung stellte das Gericht einen Vergleich mit dem Verkauf oder dem Parken von Autos an. Ein Parkservice, der Autos seinen Besitzern zurückgebe, würde diese nicht „der Öffentlichkeit“ anbieten. Anders sähe es bei einem Autoverkäufer aus. Das Gericht stellt also entscheidend darauf ab, ob der „gesendete“ Inhalt dem Nutzer schon vor der Sendung gehörte. Damit aber bleibt das „Streaming“ bspw. einer MP3-Datei, die zuvor bei DropBox oder Amazon in der „Cloud“ gespeichert wurde, weiterhin rechtmäßig. Der Unterschied liegt darin, dass der Nutzer erst durch die Dienstleistung von Aereo, für die er bezahlte, überhaupt in den Besitz der Sendungen gelangte.

Dieser Einschätzung des Gerichts stimmen Rasch Rechtsanwälte zu. Zudem lässt sich die Entscheidung ohne weiteres auf das deutsche Recht übertragen. Sie bedeutet zwar aller Voraussicht nach das Ende für Aereo, da der Dienst seine Kampfpreise nicht aufrechterhalten können wird, wenn er ihn ordnungsgemäß lizenziert. Andere, „neutrale“ Cloud-Dienste sind jedoch entgegen der Schwarzmalerei der Beklagten nicht betroffen.

Von: Rechtsanwalt Mirko Brüß

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